Aszendent Blödmann
an den unglückseligen Theaterabend noch einmal aufzuwärmen. In der Zwischenzeit war mir nämlich eine viel bessere Idee gekommen, wie ich Conrad ganz behutsam an das Kinderthema heranführen konnte. Dafür brauchte ich allerdings Charlottes oder, genauer gesagt, Bens Hilfe. Leider wurde mein Patenkind jedoch dieses Wochenende von seinen Großeltern in Beschlag genommen. Die Mission »Babyglück« würde also noch ein bisschen warten müssen.
»Warum reitest du eigentlich immer auf deinem Alter herum?«, fragte ich Conrad tadelnd. Dabei ließ ich meinen Blick zufrieden über seinen leicht gebräunten Oberkörper gleiten. Zugegeben, die Zeiten des Waschbrettbauches waren vielleicht vorbei, aber von einem Waschbärbauch trennten ihn Lichtjahre. »Kein Mensch würde vermuten, dass du bald fünfzig wirst. Und selbst wenn – was sagt so eine alberne Zahl denn schon großartig aus?«
»Zum Beispiel, ob es sich noch lohnt, ein neues Bett anzuschaffen – oder ob man sich besser gleich für eine Ruhestätte mit Deckel entscheiden sollte.« Obwohl Conrads graublaue Augen amüsiert funkelten, hatte ich das Gefühl, dass ein Quäntchen Ernst in seinen Worten steckte.
»Hör auf, so einen Quatsch zu erzählen! Sonst bekommst du von mir gleich einen auf den Deckel.« Ich griff nach dem erstbesten Gegenstand, der sich in meiner Reichweite befand, und drohte Conrad mit einer Haarbürste.
»Na, du hast gut reden«, fuhr Conrad unbeeindruckt fort. »Dich fragt der Türsteher am Eingang der Disko nach deinem Personalausweis, mich allenfalls nach einem Organspendeausweis.« Japsend griff er sich an die Brust und tat, als würde er in der Badewanne absaufen.
»Das ist nicht lustig«, schimpfte ich, als er mit einer weißen Schaumkrone auf dem Kopf wieder auftauchte.
»Sorry«, entschuldigte sich Conrad. Dann wechselte er abrupt das Thema. »Hat der Fotograf dir eigentlich schon die Bilder von dem Shooting geschickt?«
Ich nickte. »Die Fotos sind überraschend gut geworden.« Sogar mein Porträtfoto konnte sich sehen lassen. Ob die Ameisenkacke schuld daran war? Während ich normalerweise grimmig wie ein Schwerverbrecher in die Kamera schaute, hatte ich auf diesem Bild tatsächlich ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen. Bei der Erinnerung an das Fotoshooting verging mir das Schmunzeln jedoch schlagartig. »Wenn ich daran denke, wie ich an dem Morgen völlig ahnungslos im Büro aufgekreuzt bin, wird’s mir ganz anders. Ich kann mir einfach nicht erklären, wie der Zettel mit Yvonnes Notiz unter den Ordner gekommen sein soll«, grübelte ich laut.
Bisher hatte ich außer Charlotte noch niemandem von meinem Verdacht erzählt, dass Kai etwas mit dem Verschwinden des Zettels zu tun haben könnte. Aus Mangel an Beweisen und aus Angst, dass mich meine Kollegen für paranoid halten würden oder womöglich annahmen, dass ich versuchte, einem anderen meine Fehler in die Schuhe zu schieben.
»Vielleicht hat jemand dafür gesorgt, dass ich den Zettel gar nicht finden konnte«, begann ich vorsichtig.
»Ach was!« Conrad schob den Schaum auf der Wasseroberfläche zu einem Gebirgsmassiv zusammen. »So einen Zettel übersieht man leicht. Ruck, zuck hat man etwas anderes daraufgelegt. Das kann doch jedem mal passieren.«
»Mir nicht!«, widersprach ich heftig und fuchtelte dabei mit dem geöffneten Nagellackfläschchen in der Luft herum. Verflixt, auch das noch! Ein fetter dunkelroter Tropfen war auf das Revers des cremefarbenen Bademantels gespritzt.
»Und wer, glaubst du, hat den Zettel versteckt? Die Heinzelmännchen? Der Pumuckl?« Amüsiert zog Conrad die Augenbrauen nach oben. »Oder hast du womöglich die armen Putzfrauen im Verdacht?«
Ärgerlich biss ich mir auf die Lippen. Dass Conrad die Angelegenheit ins Lächerliche zog, passte mir gar nicht. »Wenn du mich schon so fragst: Ich glaube, dass Kai mir den Schlamassel eingebrockt hat.«
»Kai? Wieso Kai?« Conrad schien aufrichtig überrascht zu sein.
»Das fragst du noch?! Wer sonst im Hotel hätte ein Interesse daran, mir zu schaden? Der Kerl ist scharf auf die Marketingleitung, so einfach ist das. Und je schlechter ich dastehe, desto besser für ihn.« Ich schnaufte vor Wut. Am liebsten hätte ich wie ein Kind mit dem Fuß auf den Boden gestampft, so zornig und zugleich hilflos fühlte ich mich. »Glaub mir, Kai ist nicht so harmlos, wie er immer tut. Der Mann ist rücksichts-, beinahe schon skrupellos. Das war schon immer so.«
Conrad warf mir einen irritierten Blick zu.
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