@ E.R.O.S.
sich Transfusionen geben konnte. Und der Junge schaffte es! Er überlebte! In diesem dunklen, abgelegenen Reich erlebte Richard sein sexuelles Erwachen.
Praktisch von jedem Kontakt mit außen abgeschnitten, wandte er sich zum Trost seiner jüngeren Schwester zu. Einsam aufgrund des Todes ihres Vaters und des gefühlsmäßigen Rückzugs ihrer Mutter akzeptierte Catherine Richards Avancen, ja hieß sie sogar willkommen. Alle Studien verraten uns, daß Inzest in Situationen der Überbevölkerung, Isolation oder Armut gedeiht, aber das soll keine Entschuldigung sein. Diese Beziehung war ein großes Geschenk für Richard. Seine gewaltige Konzentration wurde nie von belanglosen Romanzen abgelenkt, und er vermied das Risiko einer genetischen Vereinigung mit einem minderwertigen Partner. Meine Großmutter muß es gewußt und verstanden haben, denn die Kinder lebten wie ein Liebespaar unter diesem gewaltigen Dach, schliefen im selben Bett, erkundeten die Grenzen der körperlichen und geistigen Erfahrungen.
Habe ich dich schockiert, Erin?
ERIN>
Wenn ich nein sage, würde ich lügen. Aber ich bin auch fasziniert. Ich habe so etwas noch nie gehört.
MAXWELL>
Es ist, als würde man über junge Götter lesen, nicht wahr?
ERIN>
In gewisser Hinsicht. Aber ich weiß, was jetzt kommt. Richard verließ Catherine, nicht wahr?
MAXWELL>
Ach ja? Noch in ziemlich jungen Jahren bestand Richard die Prüfungen, die er ablegen mußte, um auf die Universität gehen zu können. In verzweifelter Geldnot schrieb er erneut an Onkel Karl. Er machte jüdische Diebe und antideutsche Verfolgungen dafür verantwortlich, daß die Familie nicht nach Berlin gekommen war. Ein weiterer Krieg stand vor der Tür, und Karl schickte sofort die nötigen Mittel für Schiffspassagen. Natürlich benutzte Richard das Geld, um an die Universität zu gehen. Er wurde zu einer akademischen Größe, finanzierte sein Studium mit Stipendien. Und da er aufgrund seiner Hämophilie nicht eingezogen wurde, konnte er drei Jahre später ein Stipendium für das Medizinstudium annehmen.
Während dieser Zeit hatte Catherine Männer außerhalb der Familie kennengelernt, doch es entwickelten sich keine Beziehungen. Meine Großmutter entmutigte sie, sagte, dieser oder jener Verehrer entspräche nicht dem »Familienstandard«, womit natürlich Richard gemeint war. Richard wiederum hatte mehrere Beziehungen, sowohl mit Frauen als auch mit Männern. Aber niemand konnte Catherine aus seinem Herzen verdrängen.
ERIN>
Catherine tut mir leid. Sie hatte nie die Chance, herauszufinden, was sie wirklich wollte.
MAXWELL>
Das Schicksal hatte es so für sie vorgesehen, Erin. Bereitet diese Vorstellung dir Unbehagen?
ERIN>
Warum erzählst du mir nicht zuerst ihr Schicksal?
MAXWELL>
Während des Medizinstudiums kam Richard aus eigennützigen Motiven heraus zu dem Schluß, daß es an der Zeit für eine Heirat war, und zwar für eine guteHeirat. Seine Gelegenheit kam in Gestalt einer in Ungnade gefallenen Tochter eines wohlhabenden Professors. Ich nannte sie immer »die Gorgone«. Schon vor der ersten Ehe schwanger, verlor diese Frau unmittelbar nach der Hochzeit das Baby und machte danach eine häßliche und öffentliche Scheidung durch. Da sie für Männer ihrer gesellschaftlichen Schicht nicht mehr akzeptabel war, überzeugte ihr Vater sie, einem brillanten Medizinstudenten eine Chance zu geben. Richard verschwendete keine Zeit. Da er erkannte, daß sein Plan ein Schock für seine Schwester sein würde, brachte er ihr die Nachricht sanft bei und betonte seine finanziellen Motive, doch es half nichts. Catherine war wie am Boden zerstört. Während der nächsten beiden Wochen flehte sie ihn wie verrückt an, verführte ihn zweimal und sagte ihm, daß keine andere Frau ihn je so lieben oder verstehen könne wie sie. Als er nicht nachgeben wollte, platzte sie damit heraus, daß keine andere Frau ihm je ein Kind geben könne so wie sie. Richard ignorierte sie und trieb seine Pläne voran. Am Tag vor der Hochzeit verließ Catherine mit Richards gesamtem Geld die Stadt. Während er vor Sorge fast vor dem Zusammenbruch stand, erzählte er allen, sie sei in den Westen gegangen, um Erleichterung für ihre kranken Lungen zu suchen. Hätte er die Wahrheit gekannt, wäre er ihr zweifellos gefolgt. Wie ein Zugvogel war Catherine auf die Suche nach ihrem einzigen Blutsverwandten gegangen, Onkel Karl. Vergiß nicht, das war während des Krieges. Sie reiste zuerst ins neutrale Spanien und freundete sich
Weitere Kostenlose Bücher