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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Himmel Herrgott, Sally.« Zoë wischte sich die Tränen vom Gesicht und starrte ihre Schwester an. »Was zum Teufel hab ich denn jetzt gesagt?«

34
    Zoë hatte das ganze Wasser und den Kaffee getrunken, und ihre Lebensgeister erwachten allmählich wieder, nachdem sie Kelvin von sich abgewaschen hatte. Sie trocknete sich ab und säuberte ihr Gesicht sorgfältig mit Kleenextüchern und Wattepads. Sie tupfte antiseptische Salbe auf die Platzwunden und zog dann einen Frotteebademantel an, der an einem Haken an der Tür hing. Das alles tat sie, ohne in den Spiegel zu schauen. Ab und zu öffnete sie die Tür einen Spaltbreit und spähte hinaus. Wohin um alles in der Welt war Sally verschwunden? Wieso kam sie nicht? Was zum Teufel hatte sie denn gesagt, das ihr einen solchen Schreck eingejagt hatte?
    Nach einer ganzen Weile klopfte es an der Tür. Als Zoë öffnete, stand Sally da. Wortlos hielt sie ihr eine offene Flasche Wein und zwei Gläser hin. Sie sah sehr blass und ernst aus.
    »Wein?«, fragte Zoë. »Um zwei Uhr nachmittags?«
    »Ich habe beschlossen, Alkoholikerin zu werden. Nur für die nächsten paar Jahre.« Sie schenkte ein Glas ein und stellte es auf den Rand des Waschbeckens. »Das ist deins.«
    Zoë nahm das Glas, setzte sich auf den Badewannenrand und betrachtete ihre Schwester. Etwas in ihrem Gesicht war verändert; sie war nicht mehr die Person, die ihr die Tür geöffnet und das Bad hatte einlaufen lassen. Als sei in den zehn Minuten ihrer Abwesenheit etwas Wichtiges passiert. »Komm schon, Sally. Was ist los?«
    Einen Moment lang blieb es still. Dann zog Sally, ohne ihr in die Augen zu schauen, eine Handvoll Papiertücher aus der Tasche ihrer Strickjacke. Sie waren zerknüllt und schmutzig und mit Lippenstift beschmiert. Sally hockte sich auf den Boden, schob die Badematte zur Seite und breitete die Tücher sorgfältig nebeneinander aus. Buchstaben wurden sichtbar, ein Satz, der rückwärts geschrieben war. Damit kommst du nicht davon. Mieses Stück . Verständnislos schüttelte Zoë den Kopf. »Kapier ich nicht. Was ist das?«
    »Kelvin Burford. Das hat er auf den Sitz meines Wagens geschrieben.«
    Zoë ging in die Hocke. Las die Worte noch einmal langsam. In ihrem Kopf begann es zu pochen. Der Lippenstift hatte die gleiche Farbe wie der, den Kelvin bei Lorne benutzt hatte. Dieses Detail war nicht öffentlich bekannt gegeben worden. Niemand wusste etwas von den Lippenstiftbotschaften. »Wie kommst du darauf«, fragte sie langsam, »wie kommst du darauf, dass es Kelvin war?«
    »Weil ich in seinem Haus etwas gefunden habe. Heute Morgen.«
    »Du warst heute Morgen da? Nein – ich war heute Mor…« Ihre Stimme versagte. » Ich war da, nicht du .«
    »Ich aber auch. Als du kamst, war ich hinten im Haus. Hast du angeklopft?«
    »Ja.«
    »Da bin ich abgehauen.«
    »Moment, Moment.« Zoë hob die Hand. »Jetzt mal langsam. Weshalb warst du da?«
    »Er versucht, mich zu erpressen. Ich habe den Lippenstift gefunden, mit dem er das hier geschrieben hat. Entweder will er mich erpressen oder mir so viel Angst einjagen, dass ich mich der Polizei stelle.«
    »Du sollst dich der Polizei stellen?«
    Sally sah ihre Schwester an und nickte. Sie sah traurig aus – entschlossen und tapfer, aber auch sehr traurig.
    »Sally? Was zum Teufel ist hier im Gange? Was ist los?«
    »Ich hab’s getan.«
    »Was getan?«
    »David Goldrab. Du willst doch wissen, was mit ihm passiert ist, und ich sag’s dir. Ich war’s. Ich hab ihn umgebracht.«
    »Ja, klar.«
    »Im Ernst. Ich hab ihn umgebracht, und ich hab es nicht angezeigt. Obwohl ich es hätte tun sollen. Ich hab’s gelassen. Und dann …« Sie rieb sich nervös die Hände. »Ich musste den Leichnam loswerden.«
    Zoë schnaubte. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Ich hätte dir geholfen. Er ist ein Arschloch.«
    »Nein, Zoë. Ich mein’s ernst.«
    Zoë wurde ganz still. Sie schaute ihrer Schwester forschend ins Gesicht. Die Augen hatten nicht mehr das gewohnte sanfte Blau. Als hätten sie einen Sprung bekommen – wie Glaskugeln. In ihrem Blick lag etwas Hartes und Stolzes. Zoë lächelte zögernd und unsicher. »Sally?«
    »Alle dachten, du wärst wirklich unabhängig und clever und gescheit. Tja, und mich haben immer alle für sanft und harmlos gehalten. Und für dumm. Aber wie sich zeigt, bin ich das alles nicht. Ich habe David Goldrab umgebracht und die ganze Sache vertuscht. Ich war’s.«
    »Nein. Nein. Das ist …«
    »Es war ein Unfall. So was wie ein

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