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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Melissa und zupfte die Hose über den dünnen Beinen hoch, damit sie sich über den Knien nicht spannte. Als sie ihn jetzt ansah, fragte Sally sich, was um alles in der Welt sie eigentlich in ihm gesehen hatte – außer dass er immer irgendwie da gewesen war, alles bezahlt und ihre Fragen beantwortet hatte wie ein Vater. Bis zu dem Tag, als er nicht mehr da gewesen war und das alles stattdessen für Melissa getan hatte. »Okay. Ich höre. Du willst ein Gespräch. Und was versprichst du dir von diesem Gespräch? Von uns – von mir und Melissa?«
    Sally klapperte mit den Lidern. »Äh – Geld.«
    Melissa holte tief Luft. Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück, schlug ein langes braunes Bein über das andere und richtete den Blick hinauf an die Decke. Julian schloss die Augen, als plage ihn ein kurzer, stechender Kopfschmerz. Er öffnete sie wieder, stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte die Handflächen zusammen. »Darf ich kurz sagen, dass wir darüber schon gesprochen haben? Und dass ich dir, wenn du dich erinnern möchtest, gesagt habe …«
    »Viertausend Pfund.«
    »Ach, du meine Fresse!«, zischte Melissa. Sie ließ Adelayde noch heftiger wippen und wandte den Blick nicht von der Decke.
    Julian lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und musterte Sally aufmerksam. Sie hatte diesen Blick bei ihm schon gesehen, wenn er bei der Arbeit eine wichtige Entscheidung treffen musste und überlegte, ob einem Kunden zu trauen war. Nun taxierte er sie, als sehe er sie zum ersten Mal als gleichaltrige Person und nicht als Unterlegene, als seine kleine Kindbraut. »Das soll kein Scherz sein, nehme ich an.«
    »Nein.«
    »Wofür soll das Geld sein?«
    »Für die Reise nach Malta. Du hast gesagt, du bezahlst sie ihr.«
    »Okay. Wenn an dieser Stelle Aggressionen ins Spiel kommen sollen, wäre es vielleicht der richtige Augenblick, die Sache zu unterbrechen und erst einmal mit den Anwälten zu sprechen, und dann …«
    »Du hast gesagt, du würdest ihr die Reise nach Malta bezahlen. Du hast es ihr versprochen – ich war dabei. Es wäre etwas ganz anderes gewesen, wenn du Nein gesagt hättest, aber das hast du nicht getan. Du hast es ihr versprochen, und du hast dein Versprechen nicht gehalten. Sie hat geglaubt, dass du es ihr bezahlen würdest. Am Ende musste sie sich das Geld dann leihen.«
    »Ich vermute«, sagte Melissa in gleichmütigem Ton, »sie hätte die Reise auch absagen können, als sie erfahren hatte, dass Julian und ich sie uns wirklich nicht leisten konnten.«
    »Alle ihre Freunde sind mitgefahren.«
    »Niemand hat mir etwas von viertausend Pfund gesagt«, erklärte Julian. »Viertausend! Was ist das für eine Reise nach Malta, die viertausend Pfund kostet? Herrgott, das sind Teenager. Die sollen im Zug auf dem Boden schlafen, nicht in einer der Suiten im neuen Airbus A380.«
    »Es ist aber so. Millie braucht das Geld. Ich wäre sonst nicht hier.«
    »Braucht Millie es, oder brauchst du es?«, fragte Melissa. Dann schloss sie die Augen. »Entschuldige. War nicht so gemeint. Achtet nicht auf mich.«
    »Von wem hat sie sich das Geld denn geliehen? Doch nicht von Nials Eltern – bitte nicht, lieber Gott. Bei denen hab ich doch jetzt schon verschissen – nach allem, was du ihnen über die Scheidung erzählt hast.«
    »Julian, hör zu. Ich kann dich nicht zwingen, ich kann dich zu gar nichts zwingen. Ich habe bei der Scheidung auf meine Rechte verzichtet, und selbst wenn ich mir einen Anwalt leisten könnte, wüsste ich ja schon vorher, was er sagen würde. Ich kann dich nur höflich bitten, ihr zu helfen. Sie ist in Schwierigkeiten, Julian, in echten Schwierigkeiten. Sie ist erst fünfzehn, und ich kann in dieser Situation nichts tun.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah seine Frau an. »Melissa?«
    Sie zuckte die Achseln. Sie hatte den Blick noch nicht von der Decke gewandt und ließ das Baby immer noch auf und ab wippen. Sie sah aus wie jemand, der im Kopf laut summt, um zu übertönen, was ringsherum passiert. »Tu du, was du für richtig hältst.« Sie legte die Hand schützend auf Adelaydes Köpfchen, als stände plötzlich sie mit dem Baby gegen Sally und Julian. »Wenn dein Gewissen dir sagt, es ist richtig, musst du es tun. Was immer es ist.«
    Julian hustete rau. Sein Blick ging von Sally zu Melissa und wieder zurück. Sally hatte noch nie ein so großes Unbehagen bei ihm gesehen. »Es tut mir leid, Sally. Der ganze Unterhalt, den ich für Millie zahlen wollte, steckt in

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