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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dem Baum, drückte eine Zehenspitze ins Gras und drehte sich immer wieder um sich selbst, sodass ihr Schatten über den Boden rotierte. Sally sah, wie sie mürrisch zu den anderen hinüberschaute. Sie folgte der Richtung ihres Blicks und sah Peter, der neben dem Bus hockte und etwas am Reifen inspizierte. Sie schaute wieder Millie an, und bei ihrem Gesichtsausdruck traf die Erkenntnis sie wie ein Vorschlaghammer. Das war es, was Isabelle meinte: Millie war verliebt. Verliebt in Peter. In den gut aussehenden, frechen, selbstsicheren Peter, der völlig in sich selbst versunken dahockte, ohne etwas von Millie zu ahnen.
    »Ist das …« Sie schwieg und kam sich schon wieder dumm vor. »Ist das der Grund, weshalb Millie sich nicht mehr mit Lorne getroffen hat? Weil er in Lorne verliebt war?«
    »Hast du das wirklich nicht gewusst?«
    »Äh«, sagte sie blöde und rieb sich die Oberarme. »Doch. Ich meine, ich nehm’s an.«
    Die beiden Frauen schauten den Kids eine Zeitlang schweigend zu. Etwas Trauriges, Einsames, Vertrautes pochte in Sallys Magen. Das flaue Pochen der Erkenntnis, der Verlierer zu sein, wie Millie es bei Peter empfinden musste. Im Internat war es für sie genauso gewesen; dort hatte sie schon früh gelernt, dass ihr Platz ganz unten auf der Liste der Gewinnerinnen war. Während Zoë auf der anderen Schule natürlich genau gewusst hatte, wie es war, ganz oben auf Platz eins zu stehen.
    »Ach, Isabelle«, sagte sie traurig. »Sie werden erwachsen. Und es passiert direkt vor unserer Nase.«

27
    Sally hatte das Abendessen im Ofen und machte Schokoladentoffee, das Isabelle mit nach Hause nehmen sollte; sie schnitt die Masse in viereckige Stücke und legte sie auf Fettpapier. Isabelle war draußen gewesen, aber jetzt kam sie schnaufend und keuchend durch die Hintertür herein und streifte die Grashalme ab, die an ihren bloßen Füßen klebten. Sally sah ihr lächelnd entgegen, doch Isabelle legte den Finger an den Mund und schüttelte ernst den Kopf.
    »Was ist?«
    Isabelle drehte sich um und gab den Blick auf Nial und Millie frei, die mit betretenen Gesichtern hinter ihr in der Tür standen. Sally legte das Messer aus der Hand, wischte sich die Hände an der Schürze ab und zwang sich, ihnen entgegenzulächeln. Sie dachte an das Gespräch, das sie eben geführt hatten und in dem Isabelle behauptet hatte, die Kinder hätten ein Geheimnis. »Millie?«, sagte sie wachsam. »Was ist los?«
    »Hör zu, Sally.« Isabelle schloss die Tür hinter den Teenagern, ging zum Tisch und schaute Sally ernst in die Augen. »Es gibt ein Problem.«
    »Geht es um Lorne?«
    »Nein. Gott sei Dank, nein.« Sie sah ihren Sohn, der in der Tür stand, mit hochgezogenen Brauen an. »Nial? Komm, erklär’s ihr.«
    Nial kam heran, setzte sich und warf Sally einen zögernden Blick zu. Millie kam eilig dazu und setzte sich auf einen Stuhl neben ihm. Ihre Schulter berührte seine, sie klemmte die Hände zwischen die Knie und senkte den Blick. Sie mochte in Peter verliebt sein, aber Isabelle hatte recht: Wenn ein Ritter in glänzender Rüstung gebraucht wurde, war Nial jederzeit zur Stelle und hoffte, die Mädchen würden hinter ihm Schutz suchen. Er plusterte sich natürlich auf, um möglichst wichtig zu erscheinen, aber auch damit hatte er kein Glück. Die Mädchen spazierten einfach an ihm vorbei und warfen sich mit ausgebreiteten Armen Peter an den Hals.
    »Passiert ist Folgendes«, sagte Isabelle. »Sie haben ihre Tickets für Glastonbury vor zwei Monaten bekommen. Das wusstest du, oder? Über Peters älteren Bruder?«
    »Natürlich. Deshalb wollen sie doch ihre Busse bemalen, nicht wahr? Warum? Wo liegt das Problem?«
    Isabelle bohrte den Fingernagel in die Maserung der Holztischplatte und warf Millie einen verlegenen Seitenblick zu. »Millie hat ihr Ticket nicht bezahlt.«
    »Ihr Ticket ?« Sally sah Millie an. »Welches Ticket ? Millie, wir haben doch darüber gesprochen. Du solltest kein Ticket kaufen. Du solltest da nicht mitfahren.«
    »Mum, bitte. Jetzt geh nicht auf mich los.« Sie sah aus, als wollte sie gleich anfangen zu weinen. »Peter hat sie online gekauft, und jetzt muss ich meinen Anteil bezahlen.«
    »Aber …« Sally setzte sich kopfschüttelnd. »Schatz, ich hab dir doch immer wieder gesagt, dass ich es mir nicht leisten kann, dich nach Glastonbury fahren zu lassen. Wir haben darüber gesprochen.«
    »Bei allen andern bezahlen die Eltern es.«
    »Ja, aber bei allen andern …« Sie brach ab. Beinahe hätte sie

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