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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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schlugen wir unser Lager für die Nacht auf. Die Landschaft hatte sich kaum verändert; ich fand Byrnes heiteres Heimkehrergefühl ungerechtfertigt. Am nächsten Tag freilich wurde die Szenerie dann doch menschenwürdiger: Endlich mehr Vegetation – zwar immer noch Dornbäume, aber schließlich sogar hinter den Bergen auch Gras. Zum erstenmal nach langer Zeit bekam ich auch wieder fließendes Wasser zu sehen: einen Bach, der mindestens dreißig Zentimeter breit war. Wie Byrne versicherte, waren wir nun aus der Wüste heraus, aber solche Dinge sind, wie schon gesagt, relativ; dem unerfahrenen Auge mußte die Landschaft immer noch als Wildnis erscheinen.
    »Die Air«, sagte Byrne, »ist eine Art von Sahel-Landzunge, die sich in die Wüste hineinschiebt.«
    »Da kann ich Ihnen leider nicht folgen. Was ist Sahel?«
    »Sahel ist das Savannenland zwischen der Wüste und dem Wald im Süden. Das Wort ist eine Erfindung der Geographen. Früher wurde es mit Sudan bezeichnet, aber als die Briten sich zurückzogen, hinterließen sie einen Staat mit dem Namen Sudan. Daraufhin mußten sich die Geographen, weil sie Politik und Geographie auseinanderhalten wollten, ein neues Wort einfallen lassen. So kamen sie auf Sahel.«
    »Viel anders als in der Wüste sieht es aber hier auch nicht aus.«
    »Es ist wohl anders«, beharrte Byrne. »Im Oberland fallen bis zu fünfzehn Zentimeter Regen im Jahr.«
    »Ist das viel?«
    »Verdammt mehr als in Tam«, sagte er. »Da regnet es manchmal zehn Jahre nicht.«
    In einem Dörfchen namens Iferouane hielten wir an. Der Ort mußte eine gewisse Bedeutung in der Air haben, denn hier gab es sogar einen Flugplatz. Auch hier lebten Tuareg, aber sie wirkten seßhafter. »Sie sind zwar immer noch Nomaden«, sagte Byrne, »doch hier wächst Futter, also brauchen sie nicht mehr so viel oder so weit herumzuziehen.«
    Es gab auch mehr Tiere zu sehen – Kamelherden, Schafe, Ziegen, allerhand höckeriges Vieh. Die Tuareg gaben sich weniger formell als im Norden; und einige Gesichter, die ich zu sehen bekam, waren eindeutig negroid. Ich machte Byrne darauf aufmerksam, aber er sagte: »Das sind entweder Haratin oder Sklaven.«
    »Sklaven?«
    »Aber ja doch. Die Tuareg sind früher jenseits des Niger auf Sklavenjagd gegangen.«
    »Existiert denn die Sklaverei noch?«
    »Theoretisch nicht. Aber wetten würde ich darauf auch nicht. Noch vor ein paar Jahren hat ein englischer Schriftsteller in Timbuktu einen Sklaven gekauft – nur, um zu beweisen, daß es immer noch möglich ist. Dann hat er den Mann freigelassen. Und das war so ziemlich das Blödsinnigste, was er tun konnte.« Ich machte ein verständnisloses Gesicht, und Byrne erklärte: »Der Sklave hatte kein Land, also konnte er nichts anbauen. Er hatte kein Geld, also konnte er sich nichts kaufen. Was sollte der arme Hund machen? Er ging zu seinem alten Herrn zurück.«
    »Aber Sklaverei …?«
    »Machen Sie sich keine falschen Vorstellungen«, sagte Byrne. »Es ist nicht so, wie Sie denken. Und diese sogenannten Sklaven sind auch gar nicht so arm dran.« Er lächelte. »Nichts mit Peitsche und so. Hier, in der Air, bauen sie auf einer Art von Deputatbasis Hirse an und kultivieren Dattelpalmen. Theoretisch steht ihnen ein Fünftel der Ernte zu, aber wenn einer clever ist, bringt er es bis zur Hälfte.«
    Byrne schien in Iferouane wohlbekannt und gern gesehen zu sein. Er führte ernste Gespräche mit den Dorfältesten, alberte mit den jungen Frauen und verteilte Süßkram und andere Geschenke an die Kinder. Wir blieben einen Tag, dann reisten wir über rauheres Land nach Süden weiter, bis wir in Timia und damit an Byrnes Wohnsitz gelangten.
    Seit Fort Flatters hatte Billson mich gemieden. Im Wagen konnte er sich mir zwar nicht entziehen, aber er sprach nichts. Außerhalb des Wagens ging er mir aus dem Weg. Ich hatte wohl aus meiner Mißachtung für ihn keinen Hehl gemacht, und das gefiel ihm natürlich wenig. Ich war durch sein dickes Fell hindurchgegangen, hatte sein Selbstwertgefühl – oder was er dafür hielt – verletzt, und das nahm er mir übel. Ich bemerkte, daß er nun viel mit Byrne redete und daß Byrne ihm offenbar einiges Interesse entgegenbrachte. Byrne sprach jedoch nicht mit mir darüber.
    Byrne war doch nicht so sehr Targui geworden, als daß er nun darauf verzichtet hätte, sich ein Haus zu bauen. Es lag an einem Talhang, der wohl in der Air für liebreizend bewaldet gelten mußte. Die Tuareg lebten in dieser Gegend nicht in

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