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Atemlos

Titel: Atemlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Lederzelten, wie in der Wüste des Nordens, sondern in Grashütten, die geschickt aus auseinandernehmbaren Teilflächen gebaut waren; so konnten die Hütten im Bedarfsfall in Einzelteile zerlegt auf Kamelrücken gepackt werden. Byrne hatte sich jedoch ein festes Haus gebaut – klein zwar, ohne viele Wände, aber doch ein Haus mit festen Mauern –, ein dauerhafter Wohnsitz und damit ein fremdartiges Gebilde für jeden Targui.
    Es war spät am Abend, als wir eintrafen, und in der Dunkelheit konnte ich nicht viel sehen; wir nahmen eine Mahlzeit zu uns und legten uns gleich darauf schlafen. Am nächsten Morgen jedoch führte Byrne mir sein Königreich vor. Gleich in der Nähe standen Hütten, die ich, falls sie einen standfesteren Eindruck auf mich gemacht hätten, ein Dorf nennen würde, und er sprach mit einem Mann, den er mir als Hamiada vorstellte – Mokhtars Bruder. Hamiada war groß, selbst für einen Targui, und was ich oberhalb des Schleiers von seiner Haut sehen konnte, war so weiß wie meine.
    Byrne sagte zu mir: »Der größte Teil der Herde weidet draußen, auf Telouess zu, zwanzig Kilometer weg. Ich fahre morgen dort hinaus – wollen Sie mit?«
    »Möchte ich gerne«, sagte ich. »Aber was machen wir mit Billson?«
    Billson war nicht bei uns; am Morgen, als wir fortgegangen waren, hatte er noch geschlafen.
    Byrne machte ein bekümmertes Gesicht: »Über Billson muß ich mal mit Ihnen sprechen. Aber später. Jetzt möchte ich Ihnen etwas zeigen.«
    Hamiada war unterdessen fortgegangen, kam aber bald mit einem Kamel wieder – mit einem der größten Tiere, die ich je gesehen hatte, und das mir, am Höcker gemessen, drei Meter groß zu sein schien. Auch die Farbe hatte ich zuvor noch nie gesehen – ein eigenartiges Rauchgrau. Byrne sagte: »Das ist die Schönheitskönigin meiner Herde. Sie heißt Yendschelan.«
    Es klang so viel Stolz in seiner Stimme mit, daß ich mich – obwohl in den Feinheiten der Kamelzucht unbewandert – zu einer Bestätigung verpflichtet fühlte. »Ein außergewöhnlich schönes Tier«, sagte ich. »Ein Rennkamel?«
    Er lachte auf. »So was gibt's nicht. Das ist ein Mehari – ein Reitkamel.«
    »Ich dachte immer, es gäbe auch Rennkamele.«
    »Kamele laufen nicht, außer man zwingt sie dazu. Und wenn sie zu lange laufen, fallen sie tot um. Zerbrechliche Geschöpfe. Wenn Sie morgen mitkommen, kriegen Sie eins zum Reiten. Allerdings nicht Yendschelan – die gehört nur mir.«
    Yendschelan sah mich so von oben herab an, wie das Kamele nun mal an sich haben, und schürzte die Lippen. Die Kamelreiterei schien sie mir ebensowenig zuzutrauen, wie ich mir selbst.
    Wir schauten uns noch ein paar Tiere aus Byrnes Herde an, die in der Nähe weideten, und dieweil ich ihnen zusah, wie sie sich Akazienzweige mitsamt der fingerlangen Dornen einverleibten, fragte ich mich, wie man ein Kamel dirigieren sollte – die Mäuler mußten eisenhart sein. Dann nahmen wir eine gastfreundliche Einladung von Hamiada an – es gab kalten Ziegenbraten, Brot und Kamelmilch –, und unvermittelt sagte Byrne: »Übrigens – Billson.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Was haben Sie mit ihm vor?«
    Ich seufzte. »Weiß ich nicht genau. Vielleicht, wenn wir ihn weiter südlich, nach Nigeria, bringen, können wir ihn in ein Flugzeug nach England setzen.«
    Byrne nickte. »Ja. Von Kano aus gibt's Flüge nach Lagos. Und dann nach Hause mit ihm.« Er schwieg und kaute nachdenklich wie seine Kamele. »Aber ich weiß nicht, ob das wirklich so gut ist.«
    »Wieso nicht?«
    »Der Bursche ist sowieso schon ziemlich aus dem Gleichgewicht gekommen. Bis jetzt hat er alles verpatzt. Wenn er nun heimkommt und weiß, daß er nie wieder zurückkehren kann, haut's ihm wahrscheinlich auch noch die letzten Tassen aus dem Schrank. Am Ende landet er noch in der Klapsmühle. Ich weiß nicht, ob ich das so gut finden würde. Sie vielleicht?«
    Ich mußte an den Bibelspruch denken – Hüter deines Bruders und so. Auch an den chinesischen Spruch, wonach man für einen Menschen, dem man das Leben rettet, verantwortlich ist bis zu dessen Tod. Auch an den Sindbad-Spruch vom alten Mann und dem Meer. »Was bedeutet er Ihnen?« fragte ich.
    Byrne zuckte die Achseln. »Nicht viel. Hesther bedeutet er vielleicht etwas.«
    Noch einmal versuchte ich, Klarheit über die Beziehung zwischen diesem Mann und Hesther Raulier zu gewinnen. Mir hatte sie gesagt, sie wäre nie verheiratet gewesen, aber darauf kam es ja zwischen einem Mann und

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