Atemlos
wovon ich rede. Um welche Tageszeit startete Ihr Vater in Algier?«
Paul sagte: »Er war kurz nach Mittag in Algier gelandet. Er tankte nicht sofort auf, weil der Mechaniker erst die Maschine überholen wollte. Diese Frau in Algier hat gesagt …«
»Sie meinen Hesther Raulier?«
»Ja.«
»Dann nennen Sie sie auch gefälligst beim Namen. Sie ist nicht ›diese Frau in Algier‹. Verstanden? Also weiter.«
Paul zuckte zusammen. »Hesther Raulier sagt, es habe deswegen eine Meinungsverschiedenheit gegeben. Mein Vater wollte sofort auftanken und weiterfliegen, aber der Mechaniker sagte, erst müsse die Maschine überholt werden.«
Ich fragte: »Paul, wurde bei dieser Rallye die Wartungszeit der Gesamtflugzeit gutgeschrieben, oder ging es einfach nur darum, wer zuerst in Kapstadt eintraf?«
»Wer zuerst in Kapstadt landete, war Sieger.«
Ich sprach Byrne an: »Dann bedeutete jede Minute am Boden verlorene Zeit. Kein Wunder, daß er unverzüglich weiterfliegen wollte.«
Byrne nickte. »Wer setzte sich durch?«
»Offenbar der Mechaniker«, sagte Paul. »Diese Frau … Frau Raulier sagt, sie habe meinen Vater in ein Hotel gebracht, wo er sich kurz schlafen legte.«
»Und wann ist er dann gestartet?«
»Nachmittags um fünf.«
»Um die Jahreszeit«, sagte Byrne, »ist es um sechs dunkel. Nachtflug also. An der Landschaft konnte er sich nicht orientieren. Keine Bodensicht.«
»Hesther Raulier sagt, mein Vater habe deswegen Bedenken geäußert. Nicht wegen des Nachtflugs – aber weil er dann bei Dunkelheit in Kano landen müßte. Er wußte nicht, ob die Landebahn in Kano befeuert war.«
»Klar«, sagte Byrne. »Die Northorp hatte eine Reisefluggeschwindigkeit von über dreihundert Stundenkilometern, aber sicher holte Billson noch einiges mehr heraus. Nehmen wir acht Stunden Flugzeit bis Kano an. Dann hätte er dort um ein Uhr nachts landen müssen. Aber so weit ist er nicht gekommen.«
Es war nun dunkel geworden, auf der Karte war nichts mehr zu sehen. Ich sagte: »Wie geht's jetzt weiter?«
»Das hängt von Paul ab«, sagte Byrne. »Ich bleibe dabei – das Flugzeug ist vom Kurs abgekommen. Und da ich nun weiß, daß es ein Nachtflug war, bin ich erst recht davon überzeugt.« Er legte seine Hand auf die Karte. »Das muß Billsons Flugzeug sein.«
Ich sagte: »Bist du bereit, uns dorthin zu bringen?«
»Wenn Paul das will.«
Ich sah Paul an. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber seine Gesten verrieten Unentschlossenheit. Schließlich ließ er sich zögernd vernehmen: »Ja … in Ordnung.« Wieder keine Silbe von Dankeschön.
Byrne klatschte in die Hände. »Aufbruch bei Morgengrauen.«
20. Kapitel
Es war elf Uhr, als wir am nächsten Morgen vor Byrnes Haus von den Kamelen absaßen. Byrne war vorausgeritten, um auszuspähen, ob sein Anwesen vor fremden Augen sicher war. Er hatte auch schon vor unserer Ankunft keine Zeit vergeudet. »Ich wußte, wie Paul sich entscheiden würde«, sagte er zu mir. »Wir müssen nun zuerst zum Auftanken nach Agades – aber ohne Paul; vielleicht ist Kissack dort. Ich habe also bereits Hamiada vorausgeschickt. Er hält sich mit Kamelen vor Agades bereit, um Paul um die Stadt herumzuführen.«
Das brachte mich auf eine Frage: »Seit wir aus Algerien kamen, habe ich Mokhtar nicht mehr gesehen. Hat er sich in Luft aufgelöst?«
Byrne lachte. »Mokhtar befindet sich jetzt bereits auf halber Strecke nach Bilma. Mokhtar ist mein madugu.«
»Was heißt das?«
»Mein Karawanenführer. Er bringt Hirse nach Bilma und holt Salz ab. Wahrscheinlich holen wir ihn hinter Fachi ein.«
»Wir fahren nach Bilma?«
»Durch Bilma«, berichtigte Byrne. »Und dann in die Hölle und das Land jenseits davon.«
Ich nahm mir meine kostbare Karte vor – und was ich da sah, wollte mir ganz und gar nicht gefallen. Allem Anschein nach stand uns eine Durchquerung des Erg du Ténéré bevor – und eine Piste war nicht eingezeichnet. Jenseits davon erstreckte sich der Grand Erg du Bilma – offenbar sollte ich nun doch noch den Baum von Ténéré zu sehen bekommen, das sehr schlechte Wasser in vierzig Meter Entfernung im Fahrpreis inbegriffen.
Byrne hatte unterdessen eine Pistole gereinigt; nun ölte er sie, und eine zweite hatte er neben sich liegen. »Komm her, alter Militarist«, forderte er mich auf. »Such dir was Passendes aus.«
Es waren beides deutsche Waffen, eine Walther und eine Luger. Ich sagte: »Woher hast du die Schießeisen?«
»Irgendwann gab's mal ein bißchen
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