Atemlos - Toedliches Erbe
hierhergefahren.« Paul war über den Besuch nicht sonderlich erfreut gewesen. Nicht, dass der alte Knabe so etwas wie ein Sozialleben hatte – er verbrachte jeden Tag eine Stunde in Gesellschaft seiner Mithäftlinge, hatte eine Stunde Freigang sowie unbegrenzten Kontakt mit seiner Anwaltsschar. Man hätte also meinen können, er wäre regelrecht ausgehungert nach jeder Form gesellschaftlichen Austauschs. Das war offensichtlich nicht der Fall.
»Und wie geht es deinem Vater?« Dakota schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf, was die Diamantstecker in ihren Ohren im durch die Fenster hereinfallenden Licht aufblitzen ließ. »Für einen aktiven Mann wie ihn muss es doch schwierig sein …«
»Er kommt im Großen und Ganzen ganz gut zurecht.« Angesichts der eben erst gemeinsam verbrachten Nacht fiel es ihm verdammt schwer, den alten Groll wieder hervorzukramen – und noch schwerer, diese Haltung jetzt, am helllichten Tag, aufrechtzuerhalten. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren. Wer immer dafür verantwortlich war, das Ergebnis war, sein Vater saß im Gefängnis, und nichts deutete darauf hin, dass er bald entlassen werden würde.
»Bevor wir landen, überprüf noch einmal die Position unseres Schurken, ja? Ich bin überrascht, dass Ligg und Rebik sich nicht gemeldet haben, um uns ihren Status durchzugeben.«
Seinen Assistenten Cole hatte er bereits angerufen. Und ihm eine Nachricht hinterlassen. Er hatte Creed angerufen. Eine Nachricht hinterlassen. Ebenfalls sein Büro in Los Angeles. Entgegengenommen hatte das Gespräch seine Empfangsdame Kristin. Mittlerweile war sie ebenso besorgt wie Rand – sie hatte angenommen, er sei beim Rest der Truppe. Wie es aussah, wusste niemand etwas über den Verbleib der Hälfte seines gottverdammten Teams. Sie waren einfach von der Bildfläche verschwunden, während man ihn hier draußen im Regen stehen ließ, ohne Hilfe oder Unterstützung.
Kristin hatte gefragt, ob er mit den Männern sprechen wolle, die soeben zurückgekommen waren, um gleich wieder nach Europa zu fliegen, doch nach kurzer Überlegung hatte er abgelehnt. Dies war keine Situation, für die so viele Leute nötig waren. Im Augenblick hatten sich zwei seiner Männer an die Fersen des Schurken geheftet, und das hielt er für ausreichend. Fürs Erste. Stattdessen hatte er sie angewiesen, das Verschwinden der Männer zu untersuchen, die sie hier zurückgelassen hatten.
Aber wie er die Sache auch betrachtete, es ergab keinen Sinn.
Die Annahme, dass sie mit den Verbrechern unter einer Decke steckten, schien weit hergeholt –
sehr
weit hergeholt. Die meisten von ihnen kannte er noch aus seiner Zeit als Stuntman. Es waren ausnahmslos Leute – die Männer wie die Frauen –, denen er vertraute. Aber wenn der Anreiz nur groß genug war, konnte jemand so leicht einknicken wie ein dürrer Halm. Er hoffte inständig, dass sie
nicht
darin verwickelt waren. Dakotas Philosophie »Vertraue niemandem
«
schien das Gebot der Stunde zu sein.
Eine Spur hatten sie bereits verloren; da wollte er nicht auch noch die zweite verlieren. Rand hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache. Ligg war ein erfahrener Mann und außergewöhnlich flink auf den Beinen. Rand vertraute darauf, dass er ihre Zielperson im Blick behielt, ohne dass diese ihn bemerkte. Sobald er Paul befragt hatte, plante er, sich mit ihnen zu treffen und selbst eine Einschätzung der Lage vorzunehmen – aber vorher musste er seinen Vater aufsuchen.
Er konnte einfach nicht glauben, wie schnell und gründlich alles in die Binsen gegangen war. Das Fiasko bei der Hochzeit, der tote Kellner, der Massenmord in Barcelona, Hams Tod … und jetzt hatte er auch noch einen Killer am Hals. Nicht eben einfach, jemanden zu verfolgen, wenn man selbst gejagt wurde. Er hoffte nur, dass die nicht ganz unbeträchtliche Summe, die er dem Typen von der Flugschule zugesteckt hatte, ihn daran hinderte, auf Nachfrage alles auszuplaudern. Eins würde er jedenfalls nicht tun: das Atmen einstellen. Er wusste, dass die Behörden mittlerweile seinen Namen kannten, und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass sie als Nächstes sein Foto in die Finger kriegen würden – wenn sie es nicht längst hatten.
»Irgendetwas?«, fragte er und leitete ihre Landung ein, während sie noch immer in dieser bodenlosen Tasche, die sie ihr Eigen nannte, herumwühlte.
»Da ist es ja!« Dakota zog den kleinen Hartschalenbehälter und das GPS aus ihrer Tasche. »Warte, eine Sekunde.« Sie gab kurzerhand die
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