Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators

Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators

Titel: Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Schäfer
Vom Netzwerk:
kamen die erbärmlichen hygienischen Verhältnisse. Kleidung zum Wechseln gab es so gut wie keine und das, was man auf dem Leib trug, konnte man im besten Fall nur mit klarem Wasser waschen.
    Wer seine Notdurft verrichtete, musste sich hinterher mit bloßen Händen reinigen, ein Umstand, der vielen der Überlebenden erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Die ungehindert wuchernden Haare und Bärte waren noch das geringste Problem, sorgten jedoch dafür, dass die meisten eher wie Höhlenmenschen denn wie zivilisierte Terraner aussahen und sich auch so fühlten.
    »Heute Abend dürften wir den Fuß der Berge erreichen«, sagte Adrian, der neben Elvia ging und ihre Hand hielt. Sie fühlte sich nass und kalt an.
    »Wir werden dort einen Tag rasten und uns auf den letzten Abschnitt der Reise vorbereiten.«
    Die Pilotin schwieg. Natürlich war sich der Kommandant der Doppeldeutigkeit seiner Aussage bewusst. Es würde tatsächlich der letzte Abschnitt ihrer Reise werden – so oder so. Entweder die Überquerung gelang und sie fanden auf der anderen Seite des Höhenzugs die Bedingungen, die sie zum Überleben brauchten, oder sie würden alle sterben.
    »Weißt du, wovor ich am meisten Angst habe?«, fragte Adrian.
    Elvia schüttelte den Kopf.
    »Nicht, dass wir jenseits der Berge nichts weiter als die bekannte Einöde finden, sondern dass es niemanden mehr interessiert.«
    »Wie meinst du das?«
    »Hast du nicht die allgemeine Gleichgültigkeit bemerkt?«, erwiderte Adrian. »Die Leute marschieren, ja, aber sie tun es nicht aus Überzeugung, sondern um die Zeit zu überbrücken, wie Roboter, die darauf warten, dass ihre Batterie versagt und sie endlich stehen bleiben können. Als würden sie das Ende herbeisehnen .«
    Elvia sah ihn nicht an. »Kannst du es ihnen verdenken?«
    »Nein«, sagte Adrian leise. »Um ehrlich zu sein, wundert es mich sogar, dass wir so lange durchgehalten haben. Wusstest du, dass Sari Farasha, das Mädchen, das heute Nacht gestorben ist, gerade einmal 24 Jahre alt war? Monique kannte sie gut, weil sie des öfteren in ihrer Abteilung ausgeholfen hat. Farasha ist arabisch und heißt Schmetterling. Sie hat ihr Studium …«
    Der Kommandant verstummte, weil ihm die Stimme versagte. Elvia blieb stehen und sah ihn mit Tränen in den Augen an.
    »Hör auf damit, Adrian«, flüsterte sie erstickt. »Hör verdammt noch mal auf damit.«
    »Ich kann nicht, Elvia.« Die Lippen des Terraners bebten. »Es ist … ich bin … ich wache jeden Morgen auf und frage mich, wen ich wohl diesmal verscharren muss. Und dann schaue ich in die Gesichter der Toten und stelle fest, dass ich so gut wie nichts über sie weiß. Sie haben sich mir anvertraut, El. Sie sind an Bord meines Schiffes gegangen und alles, was ich jetzt noch für sie tun kann, ist, ein paar leere Worte an ihrem Grab zu sprechen.«
    »Was willst du von mir hören, Ad?«, entgegnete die Pilotin matt. »Dass es nicht deine Schuld ist? Dass ich dir keine Schuld gebe? Was glaubst du, was wir hier machen? Glaubst du, dass uns Gott für unsere Sünden bestraft? Glaubst du, dass das Universum angesichts dessen, was hier geschieht, den Atem anhält? Der Tod ist allgegenwärtig, Adrian. Wir können ihn bis zu einem gewissen Grad ignorieren, aber wenn wir wirklich hinsehen, wenn wir die Scheuklappen ablegen und die Welt nüchtern und ohne Sentimentalitäten betrachten, dann ist der Tod so ziemlich die einzige Wahrheit, die übrig bleibt.«
    Adrian schüttelte den Kopf. »Das will … das kann ich nicht glauben.«
    »Dann glaub es nicht«, erwiderte Elvia daHuck. »Es macht keinen Unterschied. Nichts macht einen Unterschied. Niemand von uns wird diesen Alptraum überleben. Ich nicht, du nicht und schon gar nicht das Kind, das ich in mir trage. Die Zukunft liegt hinter uns, Adrian. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann gibst du zu, dass auch du das längst erkannt hast.«
    »Nein!«
    Der Kommandant hatte das Wort so laut hervorgestoßen, dass einige der vor und hinter ihnen gehenden Besatzungsmitglieder erstaunt aufschauten.
    »Nein«, wiederholte er leiser. »Das werde ich nicht akzeptieren! Niemals! Und du solltest das auch nicht tun.«
    Elvia sagte nichts, sah ihn nur traurig an. Adrian erwiderte ihren Blick. Seine Niedergeschlagenheit war mit einem Mal wie weggewischt. All den Opfern, die sie in den letzten Wochen gebracht hatten, all den Kameraden, die gestorben waren, standen plötzlich wieder Entschlossenheit und Hoffnung gegenüber. Vielleicht würde

Weitere Kostenlose Bücher