Atlan TH 0004 – Logbuch der SOL
ihre Stelle schob sich das hagere Gesicht Cleton Weisels.
»Was gibt es so Wichtiges«, fragte er, »dass du meinst, wie ein Berserker herumbrüllen zu müssen?«
Joscan versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sosehr er darauf gedrängt hatte, war er doch schon überzeugt gewesen, dass er den Chef der Arge SOL nicht zu sehen bekommen würde.
»Ich habe gehört, dass eine bemannte Space-Jet zu dem Meteoriten unterwegs sein soll ...«, begann er.
»Das ist richtig«, bestätigte Cleton ruhig, aber seine Gelassenheit wirkte unnatürlich und erzwungen. »Ich habe das veranlasst.«
Nachdem damit die Richtigkeit von Douc Langurs Informationen endgültig feststand, vermochte der Kybernetiker seinen Zorn nicht mehr zu unterdrücken.
»Ist dir klar, dass du die Besatzung der Jet ins Verderben geschickt hast?«, fuhr er seinen Gesprächspartner an.
»Die Mitglieder des Unternehmens haben sich freiwillig gemeldet. Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig, Joscan, aber ich meine, du solltest das wissen, bevor du ein Urteil über mich abgibst. Ich habe an der Gefährlichkeit der Expedition keinen Zweifel gelassen.«
Irgendwie fühlte sich der Kybernetiker vom Angriff in die Defensive zurückgedrängt. Nur unbewusst merkte er, wie geschickt sich Cleton von jedem Vorwurf freisprach.
»Du musst sie zurückholen!«, beschwor er den Chef der Arbeitsgemeinschaft. »Die Strahlung könnte die Aggregate der Jet beeinflussen ...«
»Es hat keinen Sinn mehr, darüber zu diskutieren«, unterbrach ihn Cleton. Der Ausdruck seines Gesichts blieb weiterhin starr und gefühllos. »Die Jet ist auf den Meteoriten abgestürzt. Es ist zu spät, etwas daran ändern zu wollen.«
Joscan schwieg betroffen. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass der Techniker den Verlust der Expeditionsteilnehmer bewusst einkalkuliert hatte – und in dieser Sekunde wurde ihm auch klar, dass er nicht länger in der Passivität verweilen und die Ereignisse an Bord allein vom Standpunkt eines Beobachters betrachten konnte. Dem Treiben der Arge SOL musste endlich Einhalt geboten werden!
»Wirst du ein Rettungskommando ausrüsten?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits zu kennen glaubte.
Cleton Weisel schüttelte entschieden den Kopf.
»Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Leute bei dem Absturz getötet wurden. Es wäre verantwortungslos, weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen.«
Joscan hatte nichts anderes erwartet. Der Chef der Arbeitsgemeinschaft war ein machtbesessener Mann, der geglaubt hatte, mit der Nutzbarmachung der Energie des Meteoriten sein Prestige erhöhen zu können. Ganz bewusst hatte er deshalb eine Handvoll Menschen ins Ungewisse geschickt. Die Expedition war gescheitert, und damit stand fest, dass der Trümmerbrocken eines geborstenen Planeten für die SOL wertlos bleiben musste.
Von Cleton Weisels Standpunkt aus war es also nur konsequent, wenn er einen Bergungsversuch ablehnte.
Der Kybernetiker würde sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Seit Jahren hielt er sich aus den Entwicklungen an Bord des Schiffes heraus, auch wenn er sie nicht immer befürwortete. Was nun geschah, sprengte allerdings den Rahmen dessen, was er noch bereit war mitzutragen.
»Und wenn sie noch leben?«
»Daran glaube ich nicht«, sagte Cleton kühl. »Die Chance ist minimal.«
»Aber sie besteht!«, beharrte Joscan. Seine Stimme hob sich. »Du hast kein Recht, dich blind und taub zu stellen und deinen Leuten jede Hilfe zu versagen. Wenn sie nur noch einen Funken Leben in den Knochen haben, bist du verpflichtet, dich um sie zu kümmern!«
Das Gesicht des Technikers schien zu versteinern.
»Dieses Gespräch ist beendet.« Er redete leise und betonte jedes Wort. »Die Entscheidung ist gefallen, und es bleibt dabei. Ich werde keinen Rettungsversuch unternehmen.«
Joscans Wangenknochen traten hervor, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich.
»Dann werde ich es tun!«
Bevor der andere darauf reagieren konnte, trennte er die Verbindung. Der Bildschirm verdunkelte sich. Erst jetzt wurde dem ehemaligen Sprecher der Solgeborenen bewusst, dass er vor innerer Erregung die Hände zu Fäusten geballt hatte. Nach langen Jahren eines zurückgezogenen Lebens stand er nun erstmals wieder im Begriff, direkt in den Ablauf der Geschehnisse einzugreifen.
Er spürte eine Berührung an seinem Arm. Douc Langur war neben ihn getreten und hatte eine Greifklaue nach ihm ausgestreckt. Aus den Sprachschlitzen drang ein anerkennender
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