Atlan TH 0010 – Das Gesetz der Erbauer
klingt nicht sehr begeistert. Erschrecken dich die vielen fremden Formen?«
Täuschte sie sich, oder schwang in der Stimme des anderen so etwas wie Anteilnahme mit? Unwillkürlich betrachtete sie ihren Gesprächspartner genauer. Er war deutlich mutiert, mithin also eines jener Exemplare, die im solanischen Sprachgebrauch als Monster bezeichnet wurden. Allerdings waren die Erbschäden nur geringfügig. Sie beschränkten sich auf die Augen und auf die Nasenpartie, wo anstelle des üblichen Knorpelauswuchses lediglich zwei schmale Schlitze die Funktionen des Riechens und Atmens übernahmen. Das Gesicht wirkte dadurch platt, war jedoch keineswegs unsympathisch.
Ohne zu wissen, warum, fühlte sich Hajke plötzlich zu diesem Menschen hingezogen. »Das alles sind Dinge, die ich vorher nicht gekannt habe«, suchte sie nach einer Erklärung für ihr Unbehagen.
Merkwürdigerweise besaßen die pupillenlosen silbernen Augen des Monsters eine enorme Ausdrucksfähigkeit. Hajke fühlte sich davon seltsam berührt.
»Du bist nicht sehr zuversichtlich«, stellte der Mutierte fest.
»Nein«, gab sie zu.
»Woran liegt das? Hat Weicos uns nicht klar genug gesagt, was uns auf Osath erwartet?«
Beinahe hilflos hob sie die Schultern. »Wahrscheinlich hat mich nur der Gedanke getrieben, endlich von der SOL fortzukommen. Die Vorstellung, die ich von diesem Planeten hatte, war für mich nicht konkret.«
»Und nun bist du enttäuscht?«
»Enttäuscht ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck.«
»Ängstlich?«, forschte der Mutierte. »Unsicher?«
Hajke nickte zögernd. »Das trifft schon eher zu ...«
Der andere lächelte breit. »Das wird sich legen«, versicherte er leichthin.
Hajke war davon nicht überzeugt, aber sie behielt ihre Einwände für sich.
Während des kurzen Gesprächs waren das Monster und sie von vielen anderen Auswanderern überholt worden. Hatte sie sich anfangs unter den Ersten befunden, die auf die Stadt zuhielten, war sie nun eine von zahlreichen Nachzüglern, die keuchend versuchten, den Anschluss nicht zu verlieren.
»Wenn ich das gewusst hätte«, schimpfte eine ältere Frau. Sie lief gebeugt und humpelte. Mit der rechten Hand stützte sie sich dabei auf einen Holzstock, den linken Arm hatte sie um den dürren Hals eines Monsters gelegt, das ein Mittelding zwischen Mensch und Kröte zu sein schien. »Wenn ich das gewusst hätte! Keinen Schritt hätte ich aus der SOL getan!«
Der Krötenmensch vollführte mit dem breiten Kopf eine drehende Bewegung, die seine Begleiterin beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte. »Sei still!«, drang es knarrend aus seiner Kehle. »Tu nicht so, als hätte man dich zu irgendetwas gezwungen!«
»Bist du noch bei Sinnen?«, fuhr die Alte ihn an, während sie seinen Hals fester packte und Halt suchend mit dem Stock fuchtelte. Für einen Moment sah es so aus, als würde sie rücklings ins Gras fallen, dann hatte sie sich gefangen. Wütend stampfte sie mit dem gesunden Bein auf. »Versuche das nicht noch einmal, du Miststück! Niemand wirft eine altehrwürdige Solanerin ungestraft um!«
Das Monster brummte unartikuliert, war jedoch sorgsam darauf bedacht, den Kopf dabei ruhig zu halten.
Hajke Eklond lächelte still in sich hinein. Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch von dem seltsamen Gespann abgelenkt, als der Hauptteil der Auswanderer zu Y'Man und Weicos aufschloss. Vor den Ausläufern der Stadt Assygha kam die Menschenmenge zum Stehen.
»Meine Freunde werden sich nun eurer annehmen«, hörte sie die Stimme Y'Mans. »Sie werden euch Unterkünfte zuweisen und euch zur Seite stehen, wenn ihr Rat oder Hilfe braucht. Für eure Zukunft und euer neues Leben wünsche ich euch viel Erfolg.«
Ein kalter Schauer rieselte über Hajkes Rücken. Sie fröstelte. Überdeutlich wurde ihr bewusst, in welches Abenteuer sie und die übrigen Solaner sich eingelassen hatten. Sie tauschten die zwar widrigen, aber immerhin vertrauten Verhältnisse auf der SOL gegen eine ungewisse und vermutlich beschwerliche Zukunft auf einem fremden Planeten. Für die vielen Monster und Extras, die bisher nichts als Leid, Verfolgung und Unterdrückung erfahren hatten, war dieser Schritt sicher verständlich; dennoch glich er einem derben Schlag ins Gesicht der solanischen Lebensphilosophie.
»Du fühlst dich nicht wohl«, sagte der Mutierte mit den silbernen Augen, der sich seit vorhin ständig an ihrer Seite gehalten hatte. »Ich würde dir gern helfen, etwas mehr Zuversicht zu gewinnen.«
»Wie sollte
Weitere Kostenlose Bücher