Atomvulkan Golkonda
mich gewaltigen Eindruck machte, und viele Episoden daraus gelangten später in den Atomvulkan .
Aus dem Jahr 1954 ist kein einziger Brief erhalten geblieben. Es gibt einen undatierten Brief von Boris, der anscheinend ins Frühjahr 1955 gehört. Nach diesem Brief zu urteilen, war die Arbeit am Atomvulkan – und zwar die gemeinsame Arbeit – schon in vollem Gange; zumindest wurden detaillierte Pläne aufgestellt und verschiedene Wendungen der Handlung erörtert. Im April 1955 befindet sich Arkadi noch in Chabarowsk, wartet sehnsüchtig auf seine Entlassung aus der Armee und beendet die Novelle ›Das vierte Reich‹. Doch schon in seinem Brief vom Juli 1955 rezensiert Boris den ersten Teil des Atomvulkans , den Arkadi in der Rohschrift fertiggestellt hat, und äußert diesbezüglich allerlei Überlegungen. Im Postskriptum verspricht er: »Ich werde jetzt wie rasend zu schreiben beginnen – Du hast mich inspiriert.«
Die historische Wette ist also höchstwahrscheinlich im Sommer oder Herbst 1954 abgeschlossen worden, als Arkadi wieder einmal Urlaub hatte und mit seiner Frau nach Leningrad kam. Ich glaube mich sogar zu erinnern, wo das war: auf dem Newski-Prospekt unweit der Anitschkow-Brücke. Wir gingen dort zu dritt spazieren, Arkadi und Boris mokierten sich wie üblich über die zeitgenössische Science Fiction, dass sie langweilig sei, ohne Biss und mit verknöcherter Handlung, {9} und Lenka hörte zu, hörte zu, dann riss ihr der Geduldsfaden, und sie sagte: »Wenn ihr so gut wisst, wie man schreiben muss, warum tut ihr es dann nicht selbst, statt immer nur zu nörgeln und zu prahlen? Reicht’s nicht?« Und sogleich kam es zu jener Wette.
Der Atomvulkan schrieb sich langsam und schwer. Wir hatten beide keine Ahnung, wie man zu zweit arbeiten soll. Arkadi hatte immerhin schon gewisse Erfahrungen, wie man allein arbeitet, Boris hatte nicht einmal das. Die Pläne wurden gemeinsam geschmiedet, doch die Kapitel und Teile schrieben wir einzeln, jeder für sich. Das Ergebnis: Arkadi ist mit der Rohfassung des ersten Teils fertig, Boris laboriert noch am ersten Kapitel; Arkadi schreibt mit Schwung am zweiten Teil, Boris hat mit Ach und Krach das erste Kapitel des ersten Teils fertig, und das passt natürlich überhaupt nicht zu Arkadis Text – andere Helden, andere Ereignisse und ein ganz anderer Stil.
Im Juli 1956 schreibt Arkadi einen verzweifelten Brief:
... Ich sehe nur zwei gangbare Wege, die freilich praktisch nicht gleichwertig sind:
1. der lange und umständliche Weg, der eine Menge Komplikationen mit sich bringt: Du schreibst Deins, ohne dich darum zu kümmern, was ich gemacht habe. Unsere Arbeiten zu synthetisieren wird dann wesentlich schwieriger sein.
2. Der meiner tiefsten Überzeugung nach beste Weg besteht darin, dass Du auf Grundlage des Dir nun vorliegenden Schemas neue Episoden verfasst, streichst, was Dir nicht gefällt, nach Belieben hinzufügst, kürzt oder änderst, aber im Rahmen der grundlegenden Ideen und der vorgegebenen Personen und Situationen (die kann man freilich auch ändern). Alle diese Änderungen schickst Du mir in dem Maße, wie sie sich ansammeln, zur Durchsicht und Bewertung, und ich antworte mit Einverständnis oder Widerspruch ... Das wird unsere Arbeit sehr beschleunigen, und dann besteht Hoffnung, dass wir bis zu meinem Urlaub – ich komme Ende Dezember nach Leningrad – die Rohfassung komplett haben ...
Doch leider war bis Dezember nichts fertig. Arkadi brachte die Rohfassung des zweiten Teils mit, machte sich mit den kläglichen Früchten der Tätigkeit von Boris vertraut und sagte: »So ... Da ist die Maschine, da das Papier, setz dich hin und schreib den dritten Teil. Und ich werde dort auf dem Sofa liegen und Port Arthu r {10} lesen. Ich habe Urlaub.«
Und so geschah es.
Im April 1957 lag das Manuskript vom Atomvulkan Golkonda , nach allen Regeln der Kunst korrigiert und abgetippt, schon im Moskauer Kinderbuchverlag und wartete auf das interne Gutachten. (Was Korrekturen und Abtippen angeht, kann ich nicht umhin, hier einen überaus charakteristischen Auszug aus einem Brief Arkadis vom 29. 4. 1957 anzuführen: »Übrigens, was den 3. Teil angeht. Offensichtlich hat mich der Herrgott für meine Sünden mit nassauernden Koautoren gestraft: Der eine hat das Manuskript überhaupt nicht angerührt {11} , der andere überlässt mir freundlich den ganzen technischen Teil der Arbeit, da er es für unter seiner Würde hält, eine anständige Form zu wahren. Ich will
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