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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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er damit gerechnet, von seinen Kollegen gedeckt zu werden. Die Geschichte war nie an die Öffentlichkeit gekommen, aber er wurde aus dem Dienst entlassen. Einige interne Abteilungen sammelten für ihn.
    Purront hätte nichts gegeben. Ein Mann muss sich unter Kontrolle haben.
    „Eher ein Spezialist“, sagt Leconte. „Die FISA hat einen Psychologen angefordert, der Leute wieder umdrehen kann, die durch eine Gehirnwäsche manipuliert wurden.,Deprogramming‘ nennen sie das. Es dauert zwar oft lange, aber da unser Mann offiziell tot ist, haben wir Zeit. Viel Zeit.“ Diese Vorstellung scheint den Commissaire zu erheitern, denn kurz lächelt er, wenn auch etwas verbissen.
    „Er versteht sein Handwerk offensichtlich“, fährt Leconte ernst fort, „und hat schon einige radikale Fanatiker in tolerante Mitmenschen verwandelt.“ Fast scheint Leconte seine eigene Behauptung zu unseriös und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „So wird es zumindest von ihm erzählt.“
    „Sie können gleich selbst mit ihm reden“, meint Erik Hofmeester. „Er steht dort drüben beim Kaffeeautomaten.“
    Bruno hatte sich schon bei seinen früheren Reisen nach Holland nie an den wässrigen Kaffee gewöhnen können. Manchmal war der Kaffee aus den Automaten zumindest etwas stärker. Und schmeckte seltsamerweise sogar besser als in den kleinen Cafés an den Grachten. Wobei in Amsterdam Coffeeshops grundsätzlich nicht für ihre Kaffeespezialitäten berühmt sind.
    Bruno fand es immer seltsam, wenn er durch die großen Glasscheiben beobachtete, wie junge Leute genussvoll und völlig ungeniert ihren Joint wie in einer Auslage rauchten. Er hatte versucht, sich vorzustellen, wie sich in seiner Heimatstadt Wien ein Gast in einem der typischen Kaffeehäuser einige Gramm Marihuana bestellte. Es erschien ihm absurd.
    In Wien kokst die Schickeria heimlich am Klo, aber öffentlicher Drogenkonsum ist schon eine ganz andere Liga. Eine offizielle Freigabe bewirkt ein Umdenken und lässt die illegale Tat zu etwas Selbstverständlichem mutieren. So funktioniert auch die Gehirnwäsche bei Terroristen. Wobei die Kiffer aber niemanden töten, sondern den Frieden in sich und in der Welt herbeirauchen möchten.
    Bruno ist der Ansicht, dass Terroristen keine grundsätzlich bösen Menschen sind, sondern nur völlig davon überzeugt, korrekt zu handeln. Der Glaube an die göttliche Legitimation, ja, sogar an den Auftrag, die Ungläubigen zu töten, legt den Schalter im Gehirn endgültig um.
    Muslimische Terroristen trennen die Welt nur mehr in zwei Teile. In das Haus des Islam, in dem das islamische Recht der Sharia schon gilt, und in das Haus des Krieges – des Jihads –, in dem das islamische Recht noch nicht gilt. Und im Krieg muss man töten. Eine einfache Weltsicht mit grausamer Konsequenz.
    „Darf ich Ihnen Commissaire Leconte und Monsieur Purront von der Police spéciale in Paris vorstellen. Sie helfen uns einige Tage bei den Ermittlungen.“ Erik tritt höflich einen Schritt zur Seite.
    Bruno gibt den heißen Plastikbecher mit Kaffee von der rechten in die linke Hand, um die beiden mit Handschlag zu begrüßen. Er registriert, dass Leconte die ihm entgegengestreckte Hand von oben nach unten drückt – ein Zeichen für eine sehr dominante Persönlichkeit. Der jüngere Mann mit den arabischen Gesichtszügen hat hingegen den typischen erlernten festen Händedruck, der einer zaghaften Erstberührung folgt. Das ist ein Hinweis auf ein weiches Innenleben, das durch dynamisches Auftreten verschleiert werden soll.
    Die beiden vor ihm sind in ihrer Körperhaltung fast unmerklich voneinander abgewandt. Der Jüngere versucht aber gleichzeitig, seinen Vorgesetzten dauernd im Blickfeld zu haben. Bruno bemerkt all dies automatisch. Manchmal ermüdet ihn diese erlernte Fähigkeit und er wünscht sich dann, körpersprachliche Signale nicht registrieren zu müssen, wenn dafür keine wirkliche Notwendigkeit besteht. Es geht ihm wie dem Regisseur, der in seiner Freizeit ins Kino geht. Bei jeder Szene sieht er die Kameraposition, die Lichtsetzung, die Umschnitte und die Anschlussfehler. So wird der Film vor seinen Augen mühsame Analyse statt leichter Genuss.
    „Sie sind also der Verhörkünstler“, sagt Leconte und mustert Bruno scharf.
    „Wenn Sie mich so nennen möchten, ist das für mich in Ordnung“, antwortet Bruno sanft. „Ich bin Polizeipsychologe mit einer Spezialisierung in Verhörmethoden.“
    „Setzen Sie auch körperliche Gewalt ein?“
    Purront

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