Attentage
nur viermal getroffen hat, als sie ihn in den letzten zwei Jahren in Pakistan besuchte. Sie war ihm gegenüber voller Schuldgefühle wegen der Adoption. Heather erfuhr schon beim ersten Treffen von seinem extremen Gedankengut und es war ihr klar, dass sie in Pakistan keinen Einfluss auf sein Leben nehmen konnte. Ihre einzige Hoffnung war, ihn zu überreden, in Europa zu leben.“
„Und darum hat sie ihn mit einer Gruppe muslimischer Extremisten in München in Kontakt gebracht, von denen sie als Leiterin der Antiterroreinheit wusste?“ Leconte nimmt einen kräftigen Schluck Rotwein und schüttelt ungläubig den Kopf.
„Sie wusste aus den Adoptionspapieren, dass Saleh die ersten Jahre seiner Kindheit in Deutschland gelebt hatte und ihm das Land deswegen etwas vertraut war. Sie brachte ihn mit der deutschen Gruppe in Kontakt und es funktionierte tatsächlich. Er plante, nach Deutschland zu kommen, um zu helfen, Attentate in Europa vorzubereiten.“
„Welch ein Wahnsinn! Die Leiterin der Antiterroreinheiten Europas vernetzt einen Terroristen aus Pakistan mit seinen deutschen Kollegen.“ Leconte trinkt sein Glas auf einen Sitz leer.
„Nein“, sagt Bruno, „eine Mutter holt ihren Sohn zu sich.“
Sie schweigen, während der ergraute Oberkellner am Tisch erscheint, um umständlich eine neue Flasche Wein vor ihnen zu öffnen. Er schenkt Leconte einen Probeschluck ein.
„Warum sollte uns die dritte Flasche vom selben Jahrgang plötzlich nicht mehr schmecken?“, fragt Leconte.
Der Maître ist leicht irritiert. „Der Wein könnte Korkgeschmack haben oder vielleicht …“
Er spricht nicht weiter, denn Leconte hat sich sein Glas bereits ohne zu probieren vollgeschenkt.
Als der konsternierte Oberkellner außer Hörweite ist, fährt Bruno fort. „Sie hatte einen Plan. Während Saleh in Pakistan das Flugzeug besteigt, lässt sie die Münchner Gruppe als mutmaßliche Schläfer von der deutschen FISA festnehmen und holt ihren Sohn selbst vom Flughafen ab. Bei der Ankunft würde er von den Verhaftungen erfahren und sie hätte ihm dann angeboten, ihn in London in ihrem Haus zu verstecken. Im Laufe der Zeit – das hatte sie gehofft – würde sie mehr Einfluss auf ihn bekommen und ihn von seinen radikalen Ideen abbringen.“
„Ein riskantes Spiel! Aber so weit ist es nie gekommen.“
„Nein, er wurde eine Woche vor seinem Flug nach Deutschland in Islamabad bei einem Attentat auf einen pakistanischen Minister, der das Blasphemiegesetz zu Fall bringen wollte, von dessen Bodyguard erschossen.“
„Das Blasphemiegesetz?“
„Ja, deswegen sterben jedes Jahr Hunderte in Pakistan. Es reicht, wenn ein Muslim einen Christen beschuldigt, etwas gegen den Koran oder den Propheten gesagt zu haben. Darauf steht dann laut Sharia die Todesstrafe.“
„Hat diese deutsche Gruppe Heather gekannt und gewusst, dass sie die Mutter von Saleh ist?“
„Nein, sie hatte zwar mit einem Mitglied regelmäßig telefonisch Kontakt, hat sich aber als eine englische Sympathisantin der al-Qaida mit guten Kontakten zur pakistanischen Regierung ausgegeben. So hat sie auch die Gruppe und Saleh zusammengebracht. Auch danach ist der Kontakt immer über Heather gelaufen.“
Bruno hält die Hand abwehrend über sein Weinglas, als ihm Leconte nachschenken will.
„Aber warum hat sie am Telefon zu ihrem Kontakt gesagt, dass sie nichts für Salehs Tod kann und nicht wüsste, wie sie ihn hätte verhindern können? Niemand hat sie verdächtigt oder ihr die Schuld an seinem Tod gegeben!“
„Da Saleh geplant hatte, nach Deutschland zu kommen, wurde die Münchner Gruppe von der al-Qaida über seinen Tod informiert und hat das Heather mitgeteilt. Sie wusste davon nichts, war natürlich völlig verstört und stand unter Schock, als sie es erfahren hat. Bei dem Telefongespräch sagte der Anrufer, dass es nicht geschehen wäre, wenn sie den Minister ohne Bodyguard erwischt hätten. Er wollte wissen, warum Heather mit ihren guten Kontakten zur pakistanischen Regierung keine Chance gehabt hatte, herauszufinden, wann der Minister ohne Bewachung ist.“
„Hat Heather das so erzählt? Klingt ziemlich konstruiert!“
Bruno gießt aus der Karaffe Wasser in sein Trinkglas. „Sie konnte der Gruppe doch nicht mitteilen, dass Saleh ihr Sohnwar. Dafür hat sie auf die Nachricht von seinem Tod extrem beherrscht reagiert!“
„Wie ich sehe, sind Sie von ihrer Unschuld restlos überzeugt!“
„Ich bin nur überzeugt, dass sie in diesem Fall die Wahrheit
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