Attentage
weg bin, musst du mich vertreten.“
Purront muss über diesen Vorschlag nicht lange nachdenken. Nicole wird mit fortschreitender Schwangerschaft wieder zickiger. Sie ist zwar nach wie vor an ihm und seiner Arbeit sehr interessiert und hört ihm gerne zu, aber er entdeckt in letzter Zeit – wenn sie sich unbeobachtet fühlt – immer öfters diesen unzufriedenen Gesichtsausdruck wieder,den er von früher kennt. Er wird einige Tage mit ihr ans Meer fahren. Er nickt.
„Und was wirst du in deinem Urlaub machen?“
„Ich werde warten, ob eine Nachricht vom Poeten kommt Und währenddessen ganz in Ruhe Billard spielen lernen.“
„Billard?“
„Ja, aber Carambolage, das richtige französische Billard mit drei Kugeln! Dazu braucht es Konzentration, Berechnung der Bahn über die Bande und der Auswirkung bei der Berührung der anderen Kugeln sowie Taktik. Das will ich lernen. Nicht diese amerikanische Version mit Löchern im Tisch.“ Leconte verzieht sein Gesicht in gespielter Abscheu. „Gleich bei mir um die Ecke ist ein Café mit Billardtischen, wo ein Verein auch Unterricht anbietet.“
Purront kräuselt die Lippen. „Du trittst einem Verein bei?“
„Ich trete nicht bei. Ich lerne nur Billardspielen – von Vereinen habe ich genug.“
Purront ist klar, dass er die FISA meint. Nach einer kurzen Pause sagt Leconte: „Gestern habe ich Bruno angerufen und gefragt, wie es Ahmed in seiner Zelle geht. Weißt du, was er geantwortet hat?“
Purront weiß es natürlich nicht und schüttelt den Kopf.
„Welche Zelle? Und wer soll dieser Ahmed sein?“
MITTWOCH, 2. MAI, 14.30 UHR | PARIS, PURRONTS UND NICOLES WOHNUNG
Nicole hatte zu Purronts Überraschung keine Lust ans Meer zu fahren. „Ich passe doch in keinen Bikini. Soll ich allen am Strand erzählen, dass ich nicht dick, sondern im vierten Monat schwanger bin?“, hatte sie lamentiert. Sie schien auch nicht davon begeistert zu sein, dass Purront die nächsten Tage zu Hause sein würde.
Erst als er auf die Idee gekommen war, ihr anzubieten, jene Summe, die sie für den Urlaub gebraucht hätten, bei einem Einkaufsbummel auszugeben, besserte sich ihre Laune. „Aber du begleitest mich nicht!“, hatte sie entschieden beschlossen. „Du langweilst dich nur und nervst mich, weil es dir zu lange dauert.“ Purront sträubte sich zum Schein noch etwas, willigte dann aber ein.
Gestern war sie nach vier Stunden frustriert nach Hause gekommen. Sie hatte einige Kleidungsstücke gesehen, die ihr gefallen, ihr aber als Schwangere nicht gepasst hatten. „Die Umstandsmoden sind nur für Bauersfrauen gemacht!“, hatte sie sich mokiert. „Völlig unmögliche Schnitte und altmodische Muster. Ich habe keine Ahnung, was ich in zwei Monaten anziehen soll. Wahrscheinlich muss ich mich zu Hause verkriechen, bis Claude geboren ist.“
Vorgestern Nachmittag war ihnen beim Ultraschall mitgeteilt worden, dass Nicole mit einem Jungen schwanger ist. Zuvor hatte der Arzt gefragt, ob sie das Geschlecht überhaupt vor der Geburt wissen möchten. Nicole hatte nichtlange überlegen müssen und nach kurzem Zögern hatte auch Purront zugestimmt. Er bemerkte, dass Nicole auffallend erleichtert war, dass sie einen Sohn bekamen. Anscheinend hatte sie sich das sehr gewünscht, aber ihm nicht verraten. Den Namen hatte sie auf Anhieb parat und Purront fügte sich unter der Bedingung, dass er den zweiten Vornamen aussuchen dürfe.
Ihm ist zu Hause langweilig und es fällt ihm plötzlich ein, dass er sich das Ultraschallbild noch nicht genau angesehen hat. Zumindest nicht so genau, dass ihm der kleine Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, den der Arzt gesehen hat, auch aufgefallen ist. Er zieht die Schublade heraus, in der Nicole ihre Dokumente aufbewahrt, und nimmt die Mappe, in die sie das Bild gegeben hat. Doch er findet nur medizinische Befunde ihres Gynäkologen und die erste Ultraschallaufnahme vom Beginn der Schwangerschaft.
Er durchwühlt die Lade und entdeckt ein Buch mit Kindervornamen. Vermutlich hat sie sich anhand dieses Buchs für Claude entschieden. Tatsächlich ist der Name eingeringelt. Bei diesen Seiten steckt auch ein Kuvert mit einigen wenigen Fotos. Als Purront sie herausnimmt und betrachtet, ist er verwirrt.
Die vier Aufnahmen, die er gefunden hat, sind offenbar im Sommer des Vorjahres gemacht worden, denn auf zwei Bildern am Strand von Nizza ist Nicole mit dem asymmetrischen Haarschnitt zu sehen, zu dem sie ihr Friseur im letzten Juni überredet hat. Die anderen
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