Attentat auf Georgia
Amt und begab mich in Dr. Murphys Zimmer. Als ich hineinkam, zog er
die Brauen hoch.
»Ah, Wheeler! Wie ich höre,
sollen Sie heute abend die Hauptrolle in einem Western für Erwachsene spielen.
Ich habe dringend abgeraten. Wie kann man solch künstlerische Leistungen von
Ihnen verlangen?«
»An Ihnen ist auch wieder
einmal ein großer Komiker verlorengegangen. Außerdem sind nur die Pferde
erwachsen. Einen neuen Schauspieler hat man schnell bei der Hand, aber um ein
Pferd zu dressieren, braucht man Jahre.«
»Ich sollte Sie eigentlich
nicht anpflaumen, Wheeler«, sagte Dr. Murphy, »da Sie ein guter Kamerad sind —
nur darauf bedacht, mir meine Arbeit zu erleichtern. Von jetzt an keine
Obduktionen mehr! Wheeler liefert die Leichen zerstückelt.«
Ich kratzte mich nachdenklich
hinterm Ohr. »Hm — Georgia Brown! Sagen Sie mal, Doktor — ist die Tote
offiziell identifiziert worden?«
»Wie stellen Sie sich das vor?«
»Ich meine — hat man versucht,
Vergleichsmomente heranzuziehen?«
»Wenn Sie jemand kennen, der
mit Georgia Browns linkem Schienbein und rechtem Wadenbein so intim war, daß er
sie identifizieren kann, bringen Sie ihn her, ich möchte ihn gern
kennenlernen.«
»Na ja — es war eben nur eine
Frage.«
»Sie werden es weit bringen,
Wheeler«, sagte er trocken. »Sie sind so dumm, daß man Sie eines Tages zum
Inspektor oder Bezirkssheriff befördern wird.«
»Wenn diese Stunde schlägt,
Murphy, wird hier ein neuer Doktor sitzen. Nützen Sie ihre Zeit — es ist
später, als Sie glauben.« Damit war ich Gott sei Dank schon zur Tür hinaus.
Ich ging in die
Vermißtenabteilung, die von Captain Parsons geleitet wurde. In drei Jahren sollte
er pensioniert werden, und man hatte ihn mit Vorbedacht in die
Vermißtenabteilung bugsiert, weil nach Inspektor Martins Ansicht ein
Reviervorsteher, der noch einen Messingspucknapf in seinem Dienstraum stehen
hat, ein hoffnungsloses Fossil ist.
Parsons kratzte sich seinen
kahlen Schädel und begrüßte mich mit einem breiten Grinsen. »Willkommen, Weiser
aus dem Morgenland! Was bringen Sie mir für Geschenke?«
»Gar keine. Ich suche etwas.
Eine Blondine.«
»Das tun wir alle«, erwiderte
er seufzend. »Die jüngste Frauensperson in meiner Abteilung ist fünfundvierzig,
und sie kennt kein anderes Vergnügen, als sich ab und zu Mostrich auf ein
Würstchen zu streichen.«
»Bitter!« sagte ich. »Haben Sie
vermißte Blondinen in Ihren Journalen, Captain?«
»Ich habe alle erdenklichen
Sorten — Männlein und Weiblein. Die ganze Stadt besteht aus Vermißten. Können
Sie mir eine genauere Spezifikation geben?«
»Keine sehr genaue. Blond.
Alter wahrscheinlich Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig. Sie dürfte seit etwa
zwei Wochen vermißt werden. Vielleicht ist es noch nicht einmal so lange her.«
»Ich werde sogleich das
Räderwerk in Gang setzen.« Fröhlich griff er nach dem Telefon.
Etwas später studierten wir die
Liste. Wir hatten mit sechs Namen begonnen und uns dann auf zwei beschränkt.
»Diese da!« Parsons zeigte mit
dem Bleistift auf einen der beiden Namen. »Ella Scott. Ihre Mutter hat sie als
vermißt gemeldet. Die Mutter meint, sie könnte mit einem Matrosen nach San
Diego gefahren sein. Ella habe die Gewohnheit, mit Matrosen zu verreisen, aber
so lange sei sie bisher nie weggeblieben, also dürfte sie diesmal weiter
gegangen sein.«
»Bis San Diego?«
»Weit genug!« sagte Parsons
grinsend.
Ich zündete mir eine Zigarette
an. Brummend schob er die Brille hoch. »Bleibt nur noch Rita Tango übrig.«
»Rita wer?«
»Sie nennt sich so, da kann man
nichts machen... Der Besitzer des Fremdenheimes, in dem sie wohnte, hat sie als
vermißt gemeldet. Sie war schon seit drei Tagen verschwunden, als er Anzeige
erstattete. Das war vor zehn Tagen. Sie ist nicht wieder aufgetaucht. Alter
neunundzwanzig, Größe... Wollen Sie ein detailliertes Signalement haben?«
»Das ist nicht nötig. Ich werde
mich lieber mit dem Pensionsinhaber unterhalten. Wie heißt er?«
»O’Shea — aber es ist eine
Frau.«
»Besten Dank, Captain.«
Wieder grinste er sein leicht
stupides Grinsen, das an den Messingspucknapf erinnerte. »Ich muß schon sagen,
daß das eine sehr komplizierte Methode ist, sich ein blondes Mädchen
anzulachen.«
»Es könnte sein, daß Sie nicht
ganz unrecht haben, Captain Parsons — ausnahmsweise.«
Als ich hinkam, war Mrs. O’Shea
ausgegangen. Ein sommersprossiger, etwa dreizehnjähriger Knabe, der auf den
Türstufen
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