Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
ich einen kugelfesten Mantel an. Ich kann die Kugeln um mich herumsirren hören, sehe, wie sie den roten Staub aufspritzen lassen und Steine zersplittern, aber ich feuere weiter. Ich kille jeden Arsch da drin, weil sie Bescheid wissen.
Dann ist es still. Ich gehe zurück zu Johnny und warte, bis Bryn und die anderen uns finden. Bryn geht zu der Siedlung hoch. Als er zurückkommt, sagt er gar nichts, sondern fordert einen Angriff aus der Luft an, und das alles spielt keine Rolle mehr, denn im nächsten Augenblick kommt ein Kampfhubschrauber und keiner von ihnen ist mehr da. Ein großer Feuerball bläht sich auf und lässt nichts übrig außer einer schwarzen Grube im Boden. Wenn ich schlafe, sind sie wieder lebendig. Der alte Mann in der Ecke, die Frauen, die wimmernd ihr Gesicht bedecken, und die kleinen Talibankinder, die aus großen und traurigen Augen gucken.
Ich schlafe nicht sehr viel. Wir reden nicht darüber – niemals. Schlafe wie ein Baby. Das sagen wir auch zueinander. Nichts von dem, was wir sehen, wenn wir nachts die Augen zumachen. Bryn aber weiß es – er weiß, was ich sehe, weil er dabei war.
Er und die Jungs sind immer noch hier, aber sie gehen bald wieder. Ich will nicht, dass sie gehen. Wenn sie da sind, dann ist es, als gäbe es eine Barriere zwischen mir und dem, wovor ich mich fürchte. Versteh mich nicht falsch – ich fürchte mich vor niemandem. Vor nichts von außen. Was mir Angst macht, ist in mir drin. Deshalb möchte ich, dass sie bleiben. Auf der anderen Seite kann ich kaum erwarten, sie aus der Tür gehen zu sehen und wieder alleine gelassen zu werden – weil ich nur so leben kann.
Bryn sagt, dass ich eine Therapie brauche – da wieder hingehe und geholfen kriege. Er hat es witzig gesagt – wir machen immer Witze – aber ich weiß, dass er es ernst meint. Ich war da. Das hat sich erledigt. Das sag ich ihm – und dass es nicht hilft, weil es keine Hilfe gibt.
Du kannst nicht mehr bei deiner Familie leben – die geht dir nur auf die Nerven. Ganz egal, wie sehr du eigentlich zu Hause sein möchtest. Wenn du da bist, treiben sie dich alle zum Wahnsinn. Sie verstehen nicht, können es niemals verstehen. Die Menschen werden unwirklich – das Leben wird unwirklich. Die einzige Antwort ist, wieder zurückzugehen und bei deinen Kumpeln zu sein, weil sie die Einzigen sind, die dich verstehen. Aber wenn es kein Zurückgehen gibt, gibt es nichts, wo du hingehen kannst, und dann möchtest du sogar mit denen nicht mehr zusammen sein. Du möchtest mit niemandem zusammen sein. Es braucht mehr als eine Therapie, um mich von meinem Weg abzubringen.
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13
»Dieser faschistische Staat ist darauf aus, uns alle
zu töten. Wir müssen Widerstand organisieren.
Gewalt kann nur mit Gewalt beantwortet werden.«
Gudrun Ensslin
Ich habe sein Handy genommen. Es lag zwischen uns auf der Bank. Er war völlig neben der Spur, und es muss ihm aus der Tasche gerutscht sein. Ich hätte es seinem Bruder geben können, aber das habe ich nicht getan. Ich habe es selbst eingesteckt.
Es war sorglos, es so auf der Bank herumliegen zu lassen, wo es jeder finden konnte. Von einem Handy kann man eine Menge über die Person erfahren: welche Apps sind drauf, Fotos, gesendete und empfangene SMS, welche Nummern sind gespeichert, welche Favoriten, welche Internetseiten sind besucht worden, E-Mails je nach Art des Smartphones, sogar in welchem Tarif jemand ist.
Alle diese Dinge sind sehr aufschlussreich, Fotos und Videos aber besonders. Ein Handy ist etwas sehr Privates, man sollte darauf aufpassen. Es war nicht einmal ausgeschaltet, und es ist auch nicht durch eine PIN geschützt, was unverzeihlich nachlässig von ihm ist. Ich schaue mir die Fotos an. Die Videoclips. Interessantes Zeug. Er ist ein Killer. Das sind sie alle. Das, was ich haben will, übertrage ich auf meinen Laptop. Das einzige Handy, das ich jetzt noch haben will, ist ein billiges Prepaid-Handy. Keine Telefonnummern. Die habe ich im Kopf. Keine Fotos. Ich lösche jede SMS, die ich sende oder bekomme.
Ich hatte Charlie eine ganze Weile nicht gesehen. Er erzählt mir, dass sein Rausschmiss für ihn das Beste war, was ihm seit Langem passieren konnte. Das erlaubt ihm, sich auf seine Kunst zu konzentrieren. Jetzt ist er ein richtiger Künstler und kein Teilzeitlehrer mehr. Und es läuft. Langsam verkauft er auch.
Er schlägt vor, dass wir zu ihm gehen, damit er mir die Sachen zeigen kann, an denen er zurzeit arbeitet.
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