Auch Du stirbst einsamer Wolf
ein paar Sekunden merkte ich, wie sie Fahrt aufnahm. Es lief alles wie am Schnürchen, und die Jacht machte Fahrt, als hätte sie eine Regatta zu gewinnen. Ich war ganz aufgeregt, als ich am Steuer saß und aus der Bucht hinausfuhr. Mit einem Affentempo schoß ich auf das offene Meer hinaus, in die Dunkelheit hinein.
Mich durchflutete auf einmal ein Triumph, als wenn ich die Olympiade gewonnen hätte oder sonst einen Preis. Ich konnte mir das dumme Gesicht des Besitzers vorstellen, wenn er sehen würde, daß sein Spielzeug gestohlen wurde. Der Wind stand günstig, und ich segelte genau nach Süden. Ich machte das Ruder mit Gummiriemen fest, so daß es den Kurs beibehielt und nicht abtrieb. Dann ging ich in die Kabine hinunter, auf Entdeckungsreise. Ich stöberte alles systematisch durch, als wenn ich von der Polizei wäre und nach Beweismaterial suchte. Es war alles auf dem Schiff, von der Signalrakete bis zur Landkarte, und ich fand sogar noch eine Flasche Kognak.
Ich genehmigte mir einen Schluck. Dann holte ich aus meiner Tasche etwas zum Essen, denn ich hatte einen höllischen Kohldampf. Ich machte es mir in der Kajüte gemütlich. Ich war ja nun mein eigener Kapitän. Ab und zu schaute ich auf den Kompaß und vergewisserte mich, ob das Schiff den Kurs hielt.
Ich war überglücklich, daß ich das Schiff hatte und meinem Ziel, das Afrika hieß, näher kam. Mein Weg in den Urwald hatte begonnen, und ich hätte vor Freude an die Decke springen können.
Als ich fertig mit essen war, ging ich wieder an Deck und setzte mich ans Ruder. Als ich da saß und die Meeresluft einatmete, als wenn es für mich neues Leben bedeutete, fing ich an zu spinnen, denn ich begann auf einmal, ein Seemannslied zu singen und das so laut, wie ich nur konnte.
Wenn mich jemand gehört hätte, hätte er wahrscheinlich gedacht, daß sich ein Irrer auf dem Meer befand. Der Alkohol war es nicht, denn ich hatte nicht viel getrunken. Es war bestimmt die Freude, endlich verschwinden zu können. Aber ganz genau weiß ich es auch heute noch nicht, was mich damals veranlaßte, mich zu benehmen wie ein Irrer. Aber nach einer Weile beruhigte ich mich und saß ganz still am Ruder und lauschte dem Rauschen des Meeres. Die ganze Nacht saß ich am Steuer, und es schien, als wenn ich überhaupt nicht müde würde.
Als es hell wurde, schaute ich über das Meer, und ich konnte weder ohne noch mit einem Fernglas Land sehen. Ich befand mich also mitten auf dem Meer und weit und breit war niemand, außer ich. Es war einfach herrlich dahinzusegeln und zu wissen, daß ich meinem Ziel näher kam. Ich fühlte mich frei und ungebunden, glücklich und zufrieden, und das Rauschen des Meeres beruhigte mich irgendwie. Später kam die Sonne hoch, und es wurde sehr warm. Die See war ruhig, aber dennoch machte ich genügend Fahrt. Ich holte aus der Kabine eine Luftmatratze, blies sie auf, legte sie auf dem Deck zurecht, band das Ruder fest, damit das Schiff weiterhin den Kurs behielt und legte mich in die Sonne. Da ich die ganze Nacht wach war, schlief ich ein, als wenn ich zu Hause wäre.
Als ich aufwachte war es schon später Nachmittag, und ich hatte einen Sonnenbrand. Ich schaute auf den Kompaß und stellte fest, daß ich ein wenig vom Kurs abgekommen war.
Also stellte ich das Ruder wieder ein und fuhr weiter nach Süden. Ob ich in Tunesien oder Marokko landete, war mir egal. Aber nach Afrika kam ich auf jeden Fall, wenn ich nur nach Süden fuhr. Man konnte es nicht verfehlen. Als es anfing zu dämmern, nahm der Wind zu und ich setzte mich an das Ruder. Ich wollte die ganze Nacht wieder an Deck bleiben und dann tagsüber schlafen.
Also ging ich in die Kabine hinunter, packte mich anständig ein, zog mir eine Schwimmweste an, denn Vorsicht ist besser und setzte mich wieder ans Ruder. Es war schon dunkel, und der Wind hatte ein wenig zugenommen. Ich dachte mir, daß ich in der Nacht eine ruhige Kugel schieben könnte. Aber da hatte ich mich getäuscht, denn um Mitternacht wurde es ein bißchen ungemütlich auf dem Meer.
Auf einmal fing es an, stärker zu winden, und die Wellen wurden höher. Ich konnte nicht mehr genau nach Süden fahren, denn sonst wären die Wellen von der Seite gekommen, und es hätte die Gefahr bestanden, daß das Schiff kenterte. Als ich die ersten hohen Wellen von der Seite abbekam, legte sich das Schiff so schräg, daß ich glaubte, es würde umkippen.
Jedesmal, wenn es so schief lag, hatte ich Angst um mein Leben. Die Wellen waren einige
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