Auch Du stirbst einsamer Wolf
laß mal. Heute nacht wirst du deine Niederlage schon bekommen. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ich freue mich jetzt schon drauf.«
Dann hielt ich Jenny ein wenig von mir fern, damit meine Hose die Unförmigkeit wieder verlor. Gegen Mitternacht brachen wir auf und fuhren zurück. Jenny schlief wieder bei mir auf der Jacht.
Ich nahm mir vor, am nächsten Tag weiterzufahren, sobald der Wind günstig stand. Es konnte nicht wie bisher weitergehen, denn sonst würde ich nie nach Afrika kommen und ewig auf Korsika bleiben.
Am darauffolgenden Tag ankerte ich vor Bastia. In aller Herrgottsfrühe ging ich an Land, denn ich wollte dort den ganzen Tag verbringen. Ich bummelte gemütlich in den Straßen herum und war sehr beeindruckt von dieser Stadt.
Ich konnte zusehen, wie die Stadt langsam erwachte. Es liefen ein paar Jogger herum, die Geschäfte und Cafés wurden geöffnet, und allmählich füllten sich die Straßen mit Leuten, die zum Einkaufen gingen. Da ich die Lauferei nicht mehr gewohnt war, taten mir bald die Füße weh, und ich setzte mich in ein Café, um mich dort ein wenig zu erfrischen. Später kaufte ich mir an einem Kiosk das deutsche Revolverblättle, wie man es bei uns zu Hause nennt, setzte mich in einem Park auf eine Bank und schaute dem Treiben auf der Straße zu.
Auch auf Korsika gab es Clochards, die im Park saßen und sich vollaufen ließen. Von meiner Bank aus beobachtete ich sie, und mir fiel ein Junge auf, der nur da saß und in der Weltgeschichte herumschaute. Er hatte neben sich eine Packung Milch stehen, was ich sofort merkte, denn sonst sah man nur Rotweinpullen, die sich die Penner in den Schädel knallten.
Dann schaute ich wieder auf die Straße und beobachtete einen kleinen Jungen, der sich von einem Obststand, der vor einem Geschäft stand, ein paar Früchte unter den Nagel riß, ohne Bezahlung, was man auch als Diebstahl bezeichnen könnte. Ich mußte herzhaft lachen, denn als der Ladenbesitzer es sah, rannte der mit einem Geschrei aus dem Geschäft, als wenn es um sein Leben ginge, und hinter dem Jungen mit den Früchten her. Nach einem kurzen Stück blieb er stehen, da er einsah, daß er zu langsam war. Der Ladenbesitzer schrie dem Jungen noch ein paar Schimpfwörter nach, wobei er die Faust hochhob und damit drohte. Die Leute blieben alle stehen und schauten den Schimpfwörter schreienden Mann entgeistert an, denn niemand schien zu wissen, um was es ging. Danach schlug ich die Zeitung auf und stellte fest, daß sich jemand zu mir auf die Bank gesetzt hatte, was ich nicht bemerkt hatte. Es war der Junge, der mir auffiel, weil er eine Milchtüte neben sich stehen gehabt hatte. Auf einmal sagte er auf deutsch zu mir:
»Guten Tag.«
Ich schaute ihn ganz entgeistert an, denn ich hatte gedacht, er wäre Franzose, da er sehr kurzgeschnittene Haare hatte. Nach einer Weile antwortete ich ihm genauso auf deutsch:
»Guten Tag.«
Auf einmal fragte mich der Kleine:
»Sie sind bestimmt Deutscher?«
»Ja, woher wußtest du das?«
»Wenn man diese Zeitung mit sich herumträgt, dann kann man nur ein Deutscher sein, denn die Franzosen lesen diesen Schrott bestimmt nicht.«
Es war wirklich eine der behämmertsten Zeitungen, die es überhaupt gibt, denn das meiste darin war erstunken und erlogen.
Deshalb sagte ich zu ihm:
»Ja, da hast du auch wieder Recht.«
»Haben Sie mir vielleicht eine Zigarette?«
»Ja.«
Ich griff in meine Tasche, zog eine Packung heraus, bot ihm eine an und steckte mir selbst eine in den Mund. Nun interessierte mich der Junge, und ich fragte ihn:
»Was machst du hier auf Korsika?«
»Die Urlauber beklauen, wenn sie nicht aufpassen.«
Er zog aus seiner Tasche einen Geldbeutel, hielt ihn mir hin, und ich stellte fest, daß es mein eigener war, den ich immer in der hinteren Hosentasche trug, und er sagte zu mir:
»Den hab ich Ihnen vorhin aus der Tasche gezogen. Aber weil Sie es sind, gebe ich ihn Ihnen wieder zurück. Es ist noch alles drin. Ich habe nicht einmal reingeschaut.«
Ich nahm den Geldbeutel, schaute den Jungen immer noch ganz entgeistert an und fragte ihn dann:
»Wie hast du den aus meiner Tasche gekriegt?«
»Als Sie auf die Straße schauten, habe ich ihn mit den Fingerspitzen ganz langsam herausgezogen, da er ein kleines Stückchen herausgeschaut hat.«
»Du scheinst auf diesem Gebiet ziemlich geschickt zu sein.«
»Das muß man, wenn man auf der Flucht ist.«
»Wieso auf der Flucht?«
»Ich bin aus Deutschland abgehauen, weil mich
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