Auch Du stirbst einsamer Wolf
Dunkelheit der Nacht verschwunden war. Mit einem guten Tempo fuhren wir auf das offene Meer hinaus und schwenkten erst nach einer ganzen Weile in Richtung Süden ein. Mitten auf dem Meer waren die Wellen um einiges höher geworden, denn dort pfiff der Wind stärker.
Aber das war mir gerade recht, denn so konnte ich mich ein wenig abreagieren. Ich legte die Jacht in den Wind, so daß sie gegen die Wellen ankämpfte. Der Vorderteil hob sich und klatschte wieder ins Wasser. Rudi bekam ein wenig Angst, ging in die Kajüte und zog sich eine Schwimmweste an. Er saß einen Augenblick neben mir und verkroch sich dann in die Kabine. Ich war mit diesem kleinen Sturm alleine, und er machte mich regelrecht an. Du sollst mich kennenlernen, dachte ich und legte die Jacht so in den Wind, daß sie genau nach Süden fuhr. Ich wollte ihn bekämpfen. Das Ruder mußte ich mit ziemlichem Kraftaufwand halten, damit ich den Kurs beibehielt. Rudi ließ sich nicht blicken, sondern versteckte sich in der Kabine. Das Schiff hob und senkte sich immer wieder.
Es klatschte auf das Wasser und die Gischt lief über den Bug nach hinten. Die ganze Nacht hielt ich den Kurs und kämpfte gegen den Sturm an. Es wurde langsam hell, aber der Sturm legte sich nicht. Im Gegenteil, gegen Morgen wurde er noch stärker, und ich konnte nicht mehr genau nach Süden fahren.
Der Sturm war schon so stark, daß ich das Schiff so in den Wind legen mußte, damit es wenig Widerstand bot. Langsam merkte ich, wie ich die Kontrolle über die Jacht verlor und aus dem Kampf, den ich vorher mit dem Sturm geführt hatte, wurde bitterer Ernst. Die See tobte, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Die Wellen waren haushoch, der Wind heulte, und die Jacht tanzte hin und her. Auf einmal fiel mir auf, daß ich keine Schwimmweste anhatte. Ich mußte mir unbedingt eine umlegen. Wenn etwas passieren sollte, wollte ich nicht wie eine Ratte ersaufen. Also zurrte ich das Ruder mit einem Seil fest, damit es sich nicht bewegen konnte. Dann ging ich in die Kajüte hinunter, wobei ich mich überall festhalten mußte, damit ich nicht über Bord ging. In der Kajüte band ich mir eine Weste um, und als ich gerade die letzte Schleife zumachte, hörte ich ein lautes Krachen. Irgend etwas mußte am Schiff kaputtgegangen sein.
Sofort ging ich wieder an Deck und sah die Bescherung. Es war echt zuviel für mich. Ich traute meinen Augen nicht. Ich konnte es nicht glauben, was ich sah. Das Ruder war aus der Verankerung gerissen und hing nur noch am Seil, mit dem ich es angebunden hatte. Das Schiff war nun nicht mehr zu steuern und damit dem Sturm hilflos ausgeliefert. Es war schon ganz hell und das Meer tobte immer noch. Diesmal ging es ums nackte Überleben. Der Sturm konnte mit uns machen, was er wollte. Ich hätte das Ruder niemals festbinden dürfen und wenn, dann hätte ich das Seil ein wenig lockerer machen müssen, damit das Steuer Spielraum gehabt hätte und nachgeben konnte, wenn der Druck zu stark wurde. Aber das hatte ich nicht gemacht, und nun mußte ich zusehen, daß wir nicht kenterten. Also ging ich hin und machte das Segel runter, damit wir wie eine Nußschale auf den Wellen tanzten. Dann ging ich hinunter zu Rudi und sagte ihm, was passiert war. Der schaute mich erst entgeistert an und sagte dann, als wenn es nur eine Lappalie wäre:
»Mehr als verrecken können wir nicht.«
Eine ganze Stunde saßen wir in der Kajüte und bangten, als der Sturm endlich anfing nachzulassen. Aber die Gefahr zu kentern bestand immer noch, denn es konnte sich auch nur um ein paar Minuten Ruhe handeln, bevor er wieder richtig loslegte. Doch langsam legte sich der Sturm. Der Wind wurde weniger und die Wellen waren nicht mehr so hoch.
Als die Gefahr des Kenterns vorüber war, atmete ich erleichtert auf. Der Sturm war vorüber, und wir hatten ihn überlebt. Aber was sollten wir nun ohne Ruder machen, fragte ich mich. Die See war zwar noch rauh, aber es bestand keine Gefahr mehr. Rudi holte die Whiskyflasche hervor, nahm einen kräftigen Schluck und hielt sie mir hin. Ich machte ebenfalls einen anständigen Zug und fragte ihn:
»Hast du keine Angst gehabt, als ich dir sagte, daß das Ruder im Eimer ist?«
»Angst hatte ich bestimmt, mehr wie du. Aber ich habe sie versucht zu verbergen, damit wir nicht hohldrehten und vielleicht Mist gemacht hätten.«
»Ich kann dir sagen, ich habe vor Angst fast in die Hosen geschissen, als ich das Ruder gesehen habe.«
»Das kann ich mir vorstellen. Deshalb habe ich es
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