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Auch Du stirbst einsamer Wolf

Titel: Auch Du stirbst einsamer Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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heißt Caporal. Also antworte mir gefälligst richtig!«
    »Jawohl, Caporal-Chef!«
    »Hat noch jemand eine Frage?«
    Keiner meldete sich diesmal. Der Caporal schien zufrieden zu sein, denn er grinste wie ein Honigkuchenpferd. Dann setzten wir uns in Bewegung und marschierten in Zweierreihen zum Bahnsteig. Für uns war ein ganzer Waggon reserviert. Wir verteilten uns in die Abteile und machten es uns auf unseren Sitzen bequem. Der, der die große Schnauze auf dem Bahnhofsplatz gehabt hatte, stand tatsächlich vor dem Abteil des Caporals, wie eine Eins. Der Junge tat mir irgendwie leid, aber ich konnte nichts für ihn tun. Warum mußte er auch so eine große Klappe riskieren, da doch jeder weiß, daß mit denen nicht gut Kirschenessen ist. Ich wartete auf die Abfahrt und saß ganz still in die Ecke gequetscht und schaute aus dem Fenster.
    Ich fühlte mich total beschissen. Nun war ich also auf dem Weg in eine Zukunft, in der man die Brutalität regelrecht lernen sollte. Auf so Sachen wie Schlägereien und morden stand ich nicht, denn ich war gegen die Brutalität und die Gewalt. Und ich Idiot fuhr mitten hinein, obwohl ich nicht der Typ für solche Sachen war.
    Aber was sollte ich nun noch dagegen machen, fragte ich mich. Einfach desertieren konnte ich nicht. Es gab nur einen Weg, nämlich die ganze Scheiße mitzumachen, bis ans Ende.
    Ich saß da, total in meine Gedanken vertieft, als ich auf einmal wieder in die Realität gerissen wurde, denn der Zug fuhr mit einem schweren Rütteln an. Langsam verließen wir den Bahnhof, und je weiter wir uns von ihm entfernten, um so elender wurde es mir. Ich mußte an Rita denken, was mir in letzter Zeit immer öfter passierte. Vielleicht lag es daran, daß ich sie in solchen Momenten wie diesem gebraucht hätte. Wie durch Watte hörte ich meine Kameraden sprechen, die in eine Diskussion verwickelt waren. Ich fing fast an zu weinen, als ich von meinem Nachbarn, der neben mir saß, angestupft wurde.
    Der Caporal stand in der Türe des Abteils und hatte zu mir etwas gesagt, das ich aber nicht gehört hatte. Dann wiederholte er es nochmals:
    »Komm einmal mit zu mir in das Abteil. Ich habe ein paar Fragen an dich.«
     
    Ich stand auf und folgte ihm. Als ich mich in seinem Abteil hingesetzt hatte, bot er mir ein Bier an, das er aus seiner Tasche hervorzauberte. Er selber nahm sich auch eins, und ich dachte echt, mich knutscht ein Elch. Erst hatte er es laut und deutlich verboten und dann bietet er mir ganz frech eines an. Ich griff sofort zu, denn ich konnte gut ein Bier gebrauchen, in meinem Dilemma, in dem ich mich befand. Wir unterhielten uns, als wären wir alte Kumpels. Der Junge stand immer noch vor dem Abteil im Gang, und ich fragte den Caporal, ob er sich nicht hinsetzen könnte. Er schaute mich schief an und sagte: »Du bist ein anständiger Kerl und so etwas will zur Legion.«
    Ich schaute auf den Boden, denn ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Aber er schickte den Jungen dann doch in sein Abteil. Es freute mich richtig, daß er sich hinsetzen durfte.
    Während des Gespräches mit dem Caporal stellte ich fest, daß er gar nicht wollte, daß ich zur Legion ging. Vielleicht hatte er es selber bereut, daß er zur Legion gegangen war.
    Langsam wurde ich müde und nickte ein. Der Caporal ließ mich schlafen, wofür ich ihm sehr dankbar war, denn an diesem Tag war ich total runter mit den Nerven.
    Erst als der Zug in Marseille einlief, weckte mich der Caporal.
    Ich hatte die ganze Fahrt über geschlafen. Zwar war ich noch hundemüde, aber es half nichts, denn ich mußte trotzdem aufstehen und in mein Abteil gehen, um mein Gepäck zu richten. Als der Zug anhielt, stiegen wir aus und stellten uns in einer Zweierreihe auf. Dann marschierten wir zu einem anderen Bahnsteig, wo schon unser Zug nach Aubagne wartete.
    Wir stiegen ein und suchten uns jeder einen Platz. Da es dort drinnen kalt war, wurde ich langsam aber sicher wach. Ich schaute mir nun vom Fenster aus den Bahnhof an, der riesig groß war. Es war der dreckigste Bahnhof, den ich je gesehen hatte. Überall lag Papier auf dem Boden, und fast an jeder Ecke stand ein Penner, die regelrechte Jammergestalten waren. Sie waren schmutzig und ihre Kleider sahen aus wie Lumpen.
    Dieser Bahnhof wirkte richtig abstoßend auf mich. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Der Bahnhof entschwand aus meiner Sicht, und ich war froh darüber, als ich ihn nicht mehr sah. Ich dachte mir noch, daß diese Penner auch nur arme Schweine

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