Auch Du stirbst einsamer Wolf
aber er störte mich irgendwie.
»Wie heißen Sie?«
»Mertens.«
»Und mit Vornamen?«
»Fritz.«
»Ich heiße Denise Bounard.«
Ich fragte mich, was mich das interessieren sollte.
Dann fragte sie mich:
»Was machen Sie in Nice?«
Da ich ein höflicher Mensch bin, gebe ich immer eine Antwort, wenn ich gefragt werde, auch wenn es mir gegen den Strich geht.
»Das weiß ich noch nicht.«
»Haben Sie für heute schon etwas vor?«
»Nein, besser gesagt, ja.«
Scheiße, da hatte ich mich versprochen.
»Ja oder nein?«
»Also gut, nein.«
»Wenn sie Lust haben, können sie mir heute abend Gesellschaft beim Essen leisten.«
So etwas Ähnliches hatte ich mir vorgestellt. Erst ihr beim Essen Gesellschaft leisten, etwas miteinander trinken, mir dann ihre Büchersammlung ansehen und, wenn es die Nacht zuläßt, noch eine Runde im Bett. Die Tour kannte ich schon, aber ich nahm mir vor, ihr sie zu vermasseln.
»Okay, ich nehme an.«
Als ich das gesagt hatte, lächelte sie mich an und meinte:
»Das freut mich aber.«
Ich wußte schon, was ich mit ihr vorhatte. Ich würde mir alles gefallen lassen, mit ihr ausgehen, nach Hause gehen zu einem Drink, und wenn sie dann mit mir in die Falle wollte, würde ich sie einfach sitzenlassen. Sie wird darauf nie wieder einen fremden Mann ansprechen.
Wir redeten noch eine ganze Weile. Ich wartete auf den Schaffner, aber der Trottel kam nicht. Dann lief der Zug in Nice ein. Ich stieg aus und trug den bekloppten Koffer, der mit Büchern gefüllt war. Wir hatten uns während der Fahrt auf das
»Du« geeinigt. Das ging bei Denise ziemlich flott, denn nicht ich bot es ihr an, sondern sie mir. Normalerweise bin ich in dieser Sache immer der erste. Nice hatte einen schönen Bahnhof. Er war sauber, und es hingen nicht so viele Penner herum wie in Marseille. Denise wollte noch einen Kaffee trinken. Nicht weit vom Bahnhof entfernt lag ein Café, in das wir gingen. Ich durfte weiterhin diesen Scheißkoffer tragen, da ich wieder mal zu höflich war. Aber es ging mir immer noch nicht in den Kopf, daß ein Weib mit einem Koffer voll Bücher durch die Weltgeschichte fährt.
Im Café bekam ich Hunger und bestellte mir zwei Stückchen Sahnetorte, worauf Denise gleich meinte:
»Sahnetorte macht dick, nimm lieber einen Obstkuchen.«
Als ich das hörte, zog es mir fast die Socken aus. Sie fing schon an, Vorschriften zu machen, was ich essen soll. Dabei kannte sie mich erst seit kurzer Zeit. Aus Trotz sagte ich zu ihr ganz frech:
»Na, wenn das dick macht, dann will ich gleich noch eine Portion Sahne dazu bestellen.«
Sie schaute mich an wie ein Honigkuchenpferd und verstand anscheinend nicht, daß ich trotz ihrer Warnung mir diese Kalorienbomber in den Rachen schieben wollte.
Als meine Bestellung vor mir stand, betrachtete ich sie erst.
Es sah wirklich sehr gut aus. Aber Denise zog ein Gesicht, als wenn ich mich mit diesem Kuchen und der Sahne vergiften würde. Dann vertilgte ich die Stücke und freute mich richtig, daß sie mir dabei zuschaute und ab und zu eine Grimasse zog.
Diese Denise hatte wirklich nicht alle Bretter am Zaun, so wie sie sich benahm. Auf einmal fragte sie mich, wo ich wohnen würde, und ich mußte ihr sagen, daß ich mich in Nice nicht auskannte und mir erst ein Zimmer besorgen mußte. Sie bot mir an, sie als Fremdenführerin zu nehmen. Aber das Angebot schlug ich aus, denn ich war nicht lebensmüde.
Sie gab mir ihre Adresse und bat mich, sie zum Abendessen abzuholen. Dann bestellte sie sich ein Taxi und meinte:
»Versetz mich aber nicht, denn ich warte nicht gerne umsonst.«
Ich versicherte ihr, daß ich kommen würde, und sie war zufrieden. Dann war Gottseidank das Taxi da, und sie verschwand endlich. Auf einmal fiel mir ein, daß sie ihren Kaffee nicht bezahlt hatte. Erst überredet sie mich, einen Kaffee mit ihr zu trinken, und dann darf ich ihr das Zeug noch bezahlen. Meiner Meinung nach war dies eine ziemliche Unverschämtheit, aber was soll man dagegen machen. Das Leben ist nun einmal so. Wenn man kein Gentleman wäre, könnte man die Sache anders machen, nämlich ihr einfach die Meinung dazu geigen. Aber heutzutage ist es schwer, ein Rüpel zu sein. Also bezahlte ich die Rechnung, steckte die Adresse von dieser Denise ein, die sie mir auf einen Zettel geschmiert hatte, nahm meine Tasche und verschwand aus dem Café.
Nun mußte ich als erstes ein Hotel suchen, denn ich wollte nicht auf der Straße schlafen, wie die Clochards es tun. Ich fand schnell
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