Auch Du stirbst einsamer Wolf
bitte einmal Feuer?«
Ich drehte mich um und schaute die Dame an. Sie war so an die Dreißig, gut angezogen und nicht so stark geschminkt, wie es die meisten Weiber machen. Ich konnte diese Anmalerei nicht ausstehen. Eine Frau sollte sich dezent schminken. Sie hielt die Zigarette in der Hand und wartete aufs Feuer. Ich war so überrascht, daß ich erst gar nicht reagierte, sondern die Frau nur anstarrte, als wenn ich noch nie eine gesehen hätte. Dann fragte sie mich noch einmal nach Feuer, und ich antwortete ihr:
»Ja, einen Moment bitte.«
Ich griff in die Tasche, holte das Feuerzeug heraus, das ich von Jeanette geschenkt bekommen hatte, und gab ihr Feuer. Ich steckte das Feuerzeug wieder ein und drehte mich um. Auf einmal sprach sie mich wieder an:
»Möchten Sie vielleicht auch eine Zigarette?«
Ich drehte mich wieder um, und sie stand da und hielt mir eine geöffnete Packung Royal-Zigaretten entgegen. Da man bei diesen Sargnägeln nichts spürte, lehnte ich ab, griff in meine Tasche und holte meine eigenen heraus. Sie stand immer noch mit der Packung Zigaretten da, und erst als ich ihr sagte, daß mir ihre zu leicht wären, steckte sie sie wieder weg. Ich klopfte mir eine Kippe aus meiner Packung und steckte sie mir in den Mund.
Ich wollte gerade das Feuerzeug anmachen, als mir die Frau plötzlich Feuer gab. Ich steckte mir meine Zigarette in Brand, schaute sie an und sagte:
»Sie haben doch selber Feuer. Warum haben Sie mich denn danach gefragt?«
»Weil ich es nicht gefunden hatte.«
»Aha, so nennt man das jetzt.«
»Ja, so nennt man das.«
Dann mußte sie auf einmal lachen, da ich ziemlich blöd aus der Wäsche geschaut haben mußte. Sie fragte mich darauf:
»Wohin fahren Sie?«
»Nach Nice.«
»Oh, da will ich auch hin.«
Ich wußte, auf was sie anspielte. Sie wollte mit mir zusammen fahren. Aber ich machte ihr nicht das Angebot, da es mir egal war, ob sie in meinem Abteil saß oder nicht. Mir lag überhaupt nichts daran, aber ihr anscheinend, denn sie meinte:
»Wenn sie auch nach Nice fahren, dann können wir gemeinsam fahren. Haben sie etwas dagegen?«
»Dagegen habe ich nichts. Aber ich sage ihnen gleich zum voraus, daß ich ein schlechter Unterhalter bin.«
»Ach, das macht mir nichts aus. Ich werde sie schon unterhalten.«
Das auch noch, dachte ich und bereute schon meine Antwort.
»Sie sind aber kein Franzose?«
»Nein, ich bin Deutscher, aber ich bin schon lange in Frankreich.« Das sagte ich deshalb, damit sie mir nicht die Ohren über das Land vollsingt, wie es die meisten machen, wenn sie einen Ausländer vor sich haben. Die meinen nämlich, daß jeder Ausländer über das Land aufgeklärt werden muß.
Dann kam auch schon der Zug.
Ich stieg sofort ein und suchte mir ein Abteil. Auf die Frau achtete ich nicht mehr, aber sie anscheinend auf mich, denn als ich ein Abteil gefunden hatte und mich umdrehte, stand sie hinter mir und lächelte mich an. Die Frau war wie eine Klette.
Ich half ihr, ihren Koffer auf die Ablage zu heben. Das Ding war schwer und ich dachte mir, daß es mit Backsteinen gefüllt sein mußte. Aber sie klärte mich gleich über den Inhalt auf, ohne daß ich sie danach fragte: »Ich habe eine ganze Menge Bücher darin. Deshalb ist er auch so schwer.«
»Bücher?«
»Ja, für mich. Ich habe sie gekauft, denn hier ist eine Bibliothek im Ort, die ihre alten Bücher verkauft, wenn sie sie nicht mehr braucht oder sie abgegriffen sind. Die bringe ich dann zu einem Freund, der Buchbinder ist, und er bringt sie für mich wieder in Ordnung. Ich sammle nämlich Bücher.«
Ich dachte, mein Hamster bohnert. Da fährt eine Frau mit einem Koffer voll Bücher durch die Gegend und bequatscht wildfremde Leute. Wenn das Weib nicht verrückt ist, dann weiß ich auch nicht weiter. Bücher läßt man sich normalerweise schicken, aber trägt sie doch nicht in einem Koffer spazieren. Aber verrückte Weiber können einem schon auf die Nerven gehen, denn sie quasseln einem ununterbrochen die Ohren voll.
Ich setzte mich auf einen Sitz und schlug die Beine übereinander. Sie machte es mir nach, und ich konnte ihre wohlgeformten Beine betrachten. Naja, ein schlechtes Fahr-gestell hatte die Lady nicht, das mußte ich ihr lassen. Aber es ist auch allgemein bekannt, daß wenn Weiber den Verstand nicht im Kopf haben, dann haben sie ihn zwischen den Beinen.
So wie ich sie betrachtete, schaute sie auch mich an. Ihr Blick war mir richtig unangenehm. Warum, das wußte ich selber nicht,
Weitere Kostenlose Bücher