Auch keine Tränen aus Kristall
von Thranx je hätte erzeugen können.
»Du nimmst da eine ungeheure Last auf dich«, sagte Luh leise zu Ryo. »Du stellst dich gegen die überlegte Meinung all deiner Vorgesetzten.«
»Sie sind nicht meine Vorgesetzten.«
»Dann eben deine Älteren«, sagte Bonnie. Sie wandte den Blick von ihm ab; eine Geste, die, wie er inzwischen wusste, allgemeine Unsicherheit etwa des dritten Grades ausdrückte. »Es mag sein Ryo, dass sie recht haben. Ich bin mir im klaren, dass ich gegen unsere eigenen Interessen spreche, wenn ich das sage, aber dies ist nicht die Zeit für Unwahrheit. Während der ganzen menschlichen Geschichte haben wir oft über unsere eigenen Motive nachgedacht, die uns veranlassen, untereinander zu kämpfen, und viele Male finden wir keine befriedigenden Erklärungen für das, was wir tun. Vielleicht ist es so, wie eure Psychotechniker behaupten, dass wir vom Wesen her mörderisch veranlagt sind.«
»Dann wird dieses Bündnis euch mehr Nutzen bringen, als ihr euch vorstellen könnt«, erklärte ihr Ryo. »Wir Thranx sind nicht leicht zu erregen. Wir verstehen uns darauf, Dingen auf den Grund zu gehen und den Kern eines Missverständnisses zu erkennen. Vielleicht haben wir schon immer Freunde gebraucht, die nicht mit euch kämpfen, sondern die stets bereit sind, euch zu besänftigen und zu erklären, wie die Dinge wirklich sind.«
Sie sah ihn wieder an. »Eines weiß ich: Gleichgültig, was auch unsere Regierungen zu tun beschließen - wir drei haben unser eigenes kleines Bündnis geschlossen.« Sie streckte eine Hand aus, um eine von Ryos Echthänden zu berühren.
Er ergriff sie fest, da er schon vor vielen Tagen gelernt hatte, was die Geste zu bedeuten hatte. Ihre Finger verfügten über wesentlich mehr Kraft als die seinen, obwohl er ihren Druck mit einer Fußhand hätte erwidern können. Sie achtete sorgfältig darauf, seine empfindlicheren Oberfinger nicht zu verletzen.
»Unser Schiff«, flüsterte Luh, »ist noch funktionsfähig. Es befindet sich im Augenblick über uns in einem Synchron-Orbit.«
»Woher weiß du das?« fragte Ryo ein wenig verblüfft.
»Weil man, während Bonnie und ich frei waren, einige unserer Freunde hingeschafft hat, um Fragen bezüglich der Konstruktion und der Funktion zu beantworten. Einige davon sind beantwortet worden, andere nicht. Man hat sie nicht gezwungen.«
»Natürlich nicht.« Allein der Gedanke verstimmte Ryo.
»Unsere Leute sind anders«, murmelte Luh. »Jedenfalls berichten unsere Schiffsgefährten, dass keine Teile abgebaut worden sind. Bis jetzt noch nicht jedenfalls. Wir hatten die Schäden, die die AAnn unserem Antriebssystem zugefügt hatten, schon fast behoben, als euer Forschungsschiff auf uns stieß. Unsere Ingenieure sind überzeugt, dass sie die noch erforderlichen Reparaturen in hinreichend kurzer Zeit fertig stellen können, um eine Flucht zu ermöglichen.«
»Wie sollen wir euer Schiff erreichen? Ich bin Experte für Ackerbau. Von astrophysikalischen Dingen verstehe ich nichts.«
»Aber das ist kein Problem!« erklärte Bonnie erregt. »Sie wollten unsere Konstruktionen und den mechanischen Aufbau des Schiffs mit Diagnosegeräten studieren und haben deshalb Alexis und Elvira«, sie wies auf zwei der heulenden Ungeheuer, »dazu veranlasst, eines unserer Beiboote herunterzuholen. Es befindet sich hier auf dem Stützpunkt.«
»In einem separaten Hangar«, murmelte Ryo, »um es vor dem allgemeinen Personal des Stützpunkts verborgen zu halten.«
»Unsere Freunde haben zuerst widersprochen. Am Ende hat Alexis zugestimmt, weil sie drohten, das Beiboot im Innern unseres Schiffes zu zerlegen. Das Problem wird darin bestehen, das Beiboot zu erreichen. Ich bin sicher, dass man es schwer bewacht.«
»Nicht unbedingt.«
Luh machte mit seinen gummiartigen Mundteilen die Geste des Stirnrunzelns. »Ich verstehe nicht. Warum nicht?«
»Welchen Grund gibt es, ein Schiff zu bewachen? Man braucht doch nur seine Piloten zu bewachen. Ihr seid hier, das Schiff ist woanders. Euch getrennt zu halten, reicht als Sicherheit. Selbstverständlich würde kein Thranx daran denken, einem Rudel Ungeheuer zu helfen.«
»Danke«, sagte Luh trocken. »Du natürlich ausgenommen.«
»Und ich bin möglicherweise verrückt. Indem ich euch helfe, werde ich für meine eigenen Leute so etwas wie ein Ungeheuer werden.« Er machte eine nachdenkliche Pause und fügte dann mit verändertem Tonfall hinzu: »Es ist euch natürlich klar, dass ich, wenn es zu keinem Bündnis
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