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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Cornwall ganz zu schweigen. Jeder Junge kann sich mal zu weit hinauswagen und in Schwierigkeiten geraten – obwohl Ronald schon seit seinem vierten Lebensjahr schwimmen kann. Aber der Efeu – das ist doch etwas anderes. Beide Jungen waren sehr ungezogen. Seitdem sie entdeckt hatten, daß sie am Efeu auf und ab klettern konnten, benahmen sie sich wie die Affen im Urwald. Trotz aller Warnungen. Aber der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht. Eines Tages gab der Efeu nach, und Ronald stürzte hinunter – Gerald war damals gerade nicht zu Hause. Gott sei Dank trug Ronald keine ernsten Verletzungen davon. Aber ich ging hinaus und untersuchte den Efeu: der Stamm war durchgesägt, Monsieur Poirot, vorsätzlich durchgesägt.«
    »Was Sie mir da erzählen, Madame, ist sehr ernst. Und Ihr jüngerer Sohn war zu der Zeit nicht da?«
    »Nein.«
    »Und zur Zeit der Fischvergiftung, war er da auch noch fort?«
    »Nein, da waren sie alle beide zu Hause.«
    »Merkwürdig«, murmelte Poirot. »Nun sagen Sie mir, Madame, wer gehört alles zu Ihrem Haushalt?«
    »Miss Saunders, die Erzieherin der Kinder, und John Gardiner, der Sekretär meines Mannes.«
    Hier machte Mrs. Lemesurier eine kleine Pause, als sei sie etwas verlegen.
    »Und wer sonst noch, Madame?«
    »Major Roger Lemesurier, den Sie – soviel ich weiß – auch kennengelernt haben, besucht uns häufig.«
    »Ach ja, er ist ein Vetter, nicht wahr?«
    »Ein entfernter Verwandter. Er gehört nicht zu unserem Zweig der Familie. Immerhin ist er jetzt wohl der nächste Verwandte meines Mannes. Er ist ein netter Kerl, und wir mögen ihn alle sehr gern. Die Jungen sind geradezu begeistert von ihm.«
    »Hat er ihnen etwa gezeigt, wie man den Efeu hinaufklettert?«
    »Kann sein. Er verleitet sie oft genug zu Streichen.«
    »Madame, ich nehme zurück, was ich zu Beginn unserer Unterhaltung gesagt habe. Es ist doch eine wirkliche Gefahr vorhanden, und ich glaube, daß ich Ihnen helfen kann. Ich möchte vorschlagen, daß Sie uns beide zu sich einladen. Ihr Gatte hat wohl nichts dagegen, wie?«
    »O nein. Aber er wird es für völlig zwecklos halten. Es bringt mich zur Verzweiflung, daß er einfach dasitzt und mit dem Tode des Kindes rechnet.«
    »Beruhigen Sie sich, Madame. Wir wollen ganz methodisch zu Werke gehen.«

    Unsere Vorbereitungen wurden mit der üblichen Sorgfalt getroffen, und am nächsten Tag saßen wir im Zug auf dem Weg nach Northumberland. Poirot war zunächst tief in Gedanken versunken. Plötzlich kehrte er zur Wirklichkeit zurück mit der abrupten Bemerkung:
    »Und aus diesem Zug soll Vincent Lemesurier gesprungen sein?«
    Da er das Wort »gesprungen« leicht betonte, fragte ich:
    »Sie vermuten doch nicht etwa eine Schurkerei?«
    »Ist es Ihnen nicht aufgefallen, Hastings, daß einige der Todesfälle der Lemesuriers – sagen wir mal – gut arrangiert sein konnten? Denken Sie zum Beispiel an Vincent. Dann der Eton-Junge – ein Gewehrunfall ist immer eine etwas dunkle Angelegenheit! Und wäre der kleine Ronald beim Sturz aus dem Fenster umgekommen – was könnte natürlicher und unverdächtiger sein? Aber warum nur ein Kind, Hastings? Wer profitiert durch den Tod des ältesten Sohnes? Sein jüngerer Bruder, ein Kind von sieben Jahren! Absurd!«
    »Sie werden den anderen später beiseite schaffen wollen«, deutete ich an, obgleich ich nicht die blasseste Ahnung hatte, wer »sie« sein mochten.
    Poirot schüttelte den Kopf, als befriedige ihn die Erklärung nicht.
    »Fischvergiftung«, sagte er nachdenklich. »Atropin bringt fast dieselben Symptome hervor. Ja, unsere Anwesenheit ist nicht ganz überflüssig, wie mir scheint.«

    Mrs. Lemesurier hieß uns herzlich willkommen. Dann brachte sie uns zu ihrem Mann ins Studierzimmer und zog sich zurück. Hugo Lemesurier hatte sich sehr verändert seit unserem letzten Zusammentreffen. Die Schultern waren noch mehr gebeugt, und sein Gesicht hatte eine eigenartige blaßgraue Tönung. Er hörte geduldig zu, als Poirot unsere Anwesenheit im Hause erklärte.
    »Das ist mal wieder so ganz Sadie mit ihrem praktischen Menschenverstand!« sagte er schließlich. »Bleiben Sie nur, Monsieur Poirot; ich danke Ihnen für Ihr Kommen. Aber was geschrieben steht, steht geschrieben. Der Weg des Missetäters ist hart. Wir Lemesuriers wissen es – keiner von uns kann dem Verhängnis entfliehen.«
    Poirot erwähnte den zersägten Efeu, aber das schien keinen Eindruck auf Hugo zu machen.
    »Zweifellos ein nachlässiger Gärtner –

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