Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Sohn auf der Welt!«
Er schmunzelte. »Und du die anstrengendste Mutter! Andere Söhne schlafen jetzt tief und fest und müssen nicht mit Ringen unter den Augen nachher vor der Klasse stehen und unterrichten.«
Dankbar stü rzte sie sich auf den Kaffee. Sie versuchte etwas zu essen, denn eins war sicher, es würde ein langer Tag werden.
Sophie kam herein und sah umwerfend aus. Die jetzt tiefblauen A ugen waren wieder klar, und auch wenn sie noch müde war, gelang ihr schon ein Lächeln. Ihr langes Haar hatte sie zu einer strengen Hochfrisur gebunden. Das gab ihr eine besondere Klarheit und betonte ihre feinen Züge. Plötzlich freute sich Lene trotz der ganzen Umstände auf die Reise mit ihrer Tochter. Zeit miteinander und füreinander haben und Gespräche, die ihnen helfen würden alles zu verarbeiten. Aber zuerst musste sie sich einen Plan machen, wie sie bei der Polizei vorgehen würde. Bei dem Gedanken verkrampfte sich ihr Magen etwas. Toll, Lene, ein fremdes Land erwartet dich, eine neunundvierzigjährige Europäerin, die keine Ahnung von den Gegebenheiten in Kalifornien hat. Die warten dort ganz bestimmt auf eine Kollegin aus Nürnberg, dachte sie ironisch. Andererseits, Menschen und menschliche Muster sind im Kern überall gleich, wenn man unter die soziale Patina sieht. Und Mord ist sicher unterhalb dieser Patina, essenzieller Bestandteil des Menschen seit Kain und Abel. Na also und Punkt.
Sogar Sophie hatte richtig gefrü hstückt, als sie aufbrachen. Am Flughafen hielt Jonas sie beide länger in den Armen als üblich.
» Passt auf euch auf und Lene, für dich gilt ganz besonders: Bring dich nicht in Gefahr. Wir brauchen dich noch.« Trotz seiner leicht dahin gesprochenen Worte hörte sie seine Mahnung deutlich hindurch klingen. Er kannte seine Mutter eben.
Dann gingen sie zum Einchecken. An der Bar tranken sie noch einen Espresso, der ihre Lebensgeister wieder erweckte. Sophie lachte.
» Ich dachte du nimmst prinzipiell keinen Zucker?«
» Ausnahme in einer Ausnahmesituation«, kommentierte sie nur. Um sie herum verschlafene Gesichter. In manchen von ihnen überwog jedoch die Aufregung vor einer Reise. Sophie verfiel wieder in stumme Trauer. Lene beschloss sie abzulenken.
» Um mal an etwas anderes zu denken, ich habe gestern mit der Familienchronik angefangen. Und das erste Kapitel schon gelesen.« Sie erzählte Sophie von Zacharias und Lona, die eigentlich Magdalena geheißen hatte. Aus ihrem Namen hatte Lene ihren abgeleitet bekommen.
» Darüber hatte ich vorher noch nie nachgedacht«, sagte sie. »Meine Mutter hatte den ersten Teil ihres Namens, und ich den zweiten. Aber ich bin gespannt, wie es nach dem Brand weitergeht. Auch wenn ich schon viel aus den Erzählungen meiner Großmutter Elise weiß, ist es jetzt noch anders. Vielleicht, weil ich älter bin oder weil jetzt alles in einen Zusammenhang kommt.«
Sophie blä tterte in dem grünen Buch.
» Gut, du liest es am besten und erzählst mir dann immer weiter. Ich kann die Schrift so schwer entziffern. Du kannst ja im Flugzeug gleich lesen. Ich werde bestimmt schlafen. Ich bin einfach furchtbar müde und zerschlagen.« Aber bis Paris waren sie erst einmal zu aufgeregt.
» Ich freue mich jetzt doch, Lene, dass ich dir alles dort zeigen kann. Das wunderschöne Haus – ich habe es dir ja schon beschrieben. Aber es ist doch etwas anderes, wenn du es jetzt selbst siehst.« Sophies Stimme stockte und fuhr dann bedrückt fort: »Wenn doch nur nicht alles so traurig wäre!«
Lene drückte sie kurz an sich.
» Erst einmal werden wir San Francisco zusammen erobern. Bis Joanne später für die Beerdigung nach Hause kann. Gott sei Dank hat Jonas gestern ein Zimmer im Hotel Renoir gebucht. Das hat er ausgesucht für dich, wegen des Impressionistennamens, der Witzbold. Aber es ist im Zentrum, in der Market Street, und wir können alles leicht erreichen. Morgen gehe ich gleich zu dem zuständigen Police Department und versuche mit dem Kommissar zu sprechen. Du kannst mir dann die Daumen drücken, dass sie mich überhaupt anhören.«
» Da brauchst du keine Angst zu haben. Die Amerikaner sind so freundlich im Umgang mit Fremden, so hilfsbereit, fand ich immer. Und besonders mit uns Deutschen.«
» Aber kein Polizist der Welt mag es gern, wenn jemand von außen – und dann noch aus dem Ausland - in seinem Fall herumstochert. Und ich kann nicht einmal im offiziellen Auftrag, als Amtsersuchen aus Deutschland, ermitteln.«
» Aber wenn der Kommissar
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