Auf Befehl des Königs
Handgriff richtig zu machen." Marguerite kramte in ihrer Kleidertruhe, holte ein frisches Hemd heraus und schlüpfte hinein. "Glaubst du, er hat ernste Absichten mit ihr, Orrick? Ich möchte nicht, dass sie seinetwegen leiden muss."
"Hast du Gerard oder Edmee zu Gesicht bekommen, seit unserer Ankunft heute Morgen?" Offenbar hatte sein Gefolgsmann sich genauso ungeduldig nach seiner Liebsten gesehnt wie Orrick sich nach seiner Gemahlin.
Marguerite funkelte ihren Ehemann durch die offene Verbindungstür an. "Ich wünsche mir für Edmee mehr als nur ein flüchtiges Liebesabenteuer. Sie war mir stets treu ergeben und hat sich nie beklagt, auch nicht in den Zeiten, als ich so unausstehlich und launenhaft war. Ich wünsche mir ein beständiges Glück für sie."
Orrick schmunzelte. "Erst heute Morgen, kurz vor unserer Ankunft bat Gerard mich um die Erlaubnis, sie zu heiraten. Ich sagte ihm, ich werde mit dir darüber sprechen."
Ihr Lächeln wärmte ihm das Herz. "Gut. Dann bin ich beruhigt. Meinen Segen haben die beiden."
Marguerite setzte sich auf die Bank unter dem Fenster und zog neue Bänder durch die Ösen an Ärmeln und Mieder ihres Gewandes und der Tunika. In ihr waren erstaunliche Veränderungen in den letzten Wochen vorgegangen. Früher hätte sie nicht einmal im Traum daran gedacht, auch nur einen Handgriff ohne Zofe zu tun.
"Dabei fällt mir ein, wie haben sich eigentlich Richards Söhne eingelebt?", erkundigte sich Orrick. Der zukünftige Kastellan von Ravenglass, dem Alterssitz von Orricks Mutter, hatte seine beiden Söhne kurz vor seiner Abreise nach Silloth geschickt, damit sie bei Bruder Wilfrid das Lesen und Schreiben lernten. Dadurch hatte Orrick sich gezwungen gesehen, Marguerite und dem Mönch zu gestehen, dass er beide über ihre gemeinsame Arbeit belogen hatte und für Wilfrid gar kein Nachfolger vorgesehen war.
In Erinnerung an seine Unaufrichtigkeit bedachte Marguerite ihren Gemahl mit einem tadelnden Blick, doch dann hellte ihre Miene sich wieder auf. "Sie sind guter Dinge und machen unter Wilfrids kundiger Aufsicht gute Fortschritte." Sie spürte Orricks Schuldbewusstsein und fuhr nachsichtig fort: "Ich verzeihe dir, Orrick. Wir wollen die Vergangenheit ruhen lassen."
Sie verbrachte zwar immer noch ein paar Stunden des Tages in der Arzneikammer, um dem Mönch zur Hand zu gehen, doch inzwischen hatte sie auch andere Aufgaben übernommen. Unter der Anleitung ihrer Schwiegermutter fand Marguerite sich rasch in ihre Pflichten als Burgherrin ein. Orrick hatte ihr eine Reise im nächsten Frühling in seine im Süden gelegenen Ländereien versprochen, damit sie sich einen Begriff von der Größe seiner Besitztümer – ihrer gemeinsamen Besitztümer – machen konnte.
Mittlerweile hatte er seine Kleider wieder geordnet und wartete, bis sie die Bänder eingefädelt hatte. Er wollte sich mit Norwyn und seinen Gehilfen treffen, um sich einen Überblick über die Erträge auf den umliegenden Feldern zu verschaffen. Das gute Wetter hatte angehalten. Die Ernte von Weizen, Hafer und Roggen war besser ausgefallen als im Jahr zuvor. Seine Bauern und die Burgbewohner würden im kommenden Winter keine Not leiden.
"Wo ist meine Mutter?"
"Meist verbringt sie die Vormittagsstunden mit ihren Damen im Söller. Der neue Wandbehang für die Halle ist bald fertig. Ich habe angeregt, einen zweiten für ihr Haus in Ravenglass anzufertigen."
Marguerite stand auf, schlüpfte in ihr Gewand und verschnürte sich. Dann streifte sie die Tunika über, kam aber mit den Schleifen an den Ärmeln allein nicht zurecht und ließ sich von Orrick helfen.
"Es sind nicht ihre Damen, Marguerite. Du bist nun Herrin auf Silloth. Sie stehen in deinen Diensten." Orrick hatte den Eindruck, seine Gemahlin verbringe ihre Zeit nicht gern im Kreis der Frauen im Altan, ohne sich den Grund dafür erklären zu können. "Nur zwei Damen werden sie begleiten, wenn sie uns im Frühling verlässt." Auf Marguerites fragenden Blick fuhr er fort: "Ihre Cousine Lady Anne und Lady Claire, deren Gatte das Kommando über die Soldaten auf Ravenglass Castle übernimmt."
Hätte er ihr nicht direkt in die Augen gesehen, hätte er vermutlich den wehmütigen Zug, der über ihr Gesicht flog, gar nicht bemerkt. Er hatte nicht geahnt, dass ihr Lady Claire fehlen würde, die mit ihrem Baby viele Stunden des Tages im Söller verbrachte. Ein Mädchen. Etwa acht Monate alt.
Im gleichen Alter wie das Kind, das Marguerite im Kloster in der Normandie zurückgelassen
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