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Auf Couchtour

Auf Couchtour

Titel: Auf Couchtour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Wickmann
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freut sich über mein bisschen Gewissen.
    »Was ist mit deinem Mund?« Das Rot meiner Lippen weitet sich aus bis unter die Nase, an die Ohren und zum Kinn herunter.
    »Der Sekt ist Schuld. Du weißt doch, wie ich auf Alkohol reagiere. Ich esse nachher was Süßes. Von Zucker kriege ich kalte Stellen im Gesicht, das lässt die Röte abflauen.« Wer seine Allergien kennt, weiß sie gegeneinander auszuspielen. Es ist alles eine Frage der Kombination.
    »Ich musste noch eine Tasche von dir tragen, weil es dir bestimmt nicht recht gewesen wäre, dreiarmig zu verreisen. Was war da drin, um Himmels willen? Ein Bausatz für ein Einfamilienhaus, falls das Hotel ausgebucht war? Du kamst schnell voran, ich trottete dir hinterher, begleitet von einem ›Viel Spaß!‹, das Bernd uns nachrief. Ich gebe zu, auch ohne den zusätzlichen Ballast wäre ich hinter dir geblieben, weil ich keinen Schimmer hatte, wo wir hinmussten. Ich finde ja nicht mal ein Tempo in meiner Hosentasche, geschweige denn einen Check-in-Schalter in einem mir fremden Territorium, das mindestens so weitläufig war wie Australien. Du schon. Du hattest dich vorher im Internet erkundigt und warst bestens informiert: Abflugebene des Terminals eins, erste Etage. Zielsicher bist du auf die Rolltreppe zumarschiert, mich Ahnungslose im Schlepptau. Wir waren ziemlich angespannt und haben kaum geredet. Ich konnte die Eindrücke gar nicht so schnell verarbeiten, wie sie auf mich einstürzten. Ich war noch nie auf einem Flughafen gewesen. Leute über Leute, Durchsagen, Schilder, Informationstafeln, der Duft der großen weiten Welt, mitgebracht von den heimkehrenden Urlaubern, die neben uns abwärtsrollten. Sie blickten mit sauertöpfischen Mienen auf uns Hochfahrende, neidisch, dass wir alles noch vor uns hatten. Unten breitete der Alltag seine Arme aus und empfing die Rückkehrer mit Schneeregen und januartypischen drei Grad Celsius. Hab ich das nicht schön beschrieben?«
    »Wunderschön. Ich sehe es direkt vor mir, die sonnenverbrannten Gesichter, die dämlichen Hüte und die Gewissheit, dass sich in spätestens zwei Wochen alles abgepellt hat, was sie sich unter Qualen angesonnt haben.«
    »Einer von denen trug eine Breitling, so groß wie eine Kirchturmuhr. Das wäre etwas für Bernd gewesen. Es war natürlich ein Plagiat, das definitiv stehen bleiben würde, bevor er damit angeben konnte. Meist halten die Dinger ja nur so lange, wie der Urlaub dauert. Als meine Kollegin vor zwei Jahren in die Türkei flog, brachte sie sich einen Schwung T-Shirts mit, alles teure Marken, zum Spottpreis, wie sie betonte. Gewiss. Ich kann mich wunderbar daran erinnern, wie sie an einem Montag damit zur Arbeit kam, stolz wie Oskar. Weißt du, was draufstand? Hinten und vorne, in neongelb?« Charline überlegt, sie kennt die Geschichte, kommt aber nicht gleich auf das Wort.
    »NILE«, platzt es aus uns heraus. Ich verschlucke mich vor lauter Boshaftigkeit und muss husten, husten und lachen, das tut weh – soll es wahrscheinlich auch. Charline haut mir auf den Rücken, es ist mehr ein Tippen, weil sie selbst vor Lachen kaum Kraft hat.
    »NILE, wie bescheuert ist das denn? Eben typisch Krankengymnastin. Nichts als Hüttenkäse im Kopf. Sie fragte mich, ob ich auch so ein T-Shirt möchte, da sie aus Versehen eins in XXL gekauft hätte. Damit wollte sie mir natürlich eins auswischen. Lächerlicher Versuch. Was dachte sie, wen sie vor sich hatte? Ich lehnte dankend ab, mit der Begründung, dass ich lieber ABBIDAS oder REHBOCK trage. Sie schnappte nach Luft und suchte angestrengt nach einer Antwort, aber wo nichts ist, kann man nichts finden. Ich hab ihr für ihren Konterspruch echt Zeit gelassen, obwohl Spontaneität bei Krankengymnasten so selten vorkommt wie Locken auf einer Glatze. Irgendwann war meine Geduld am Ende, ich ließ sie stehen. Sie war wochenlang mucksch mit mir und beschloss, ihre Originale nur noch zu Hause zu tragen. Herrlich. Wäre sie noch im Team, wäre sie hundertpro eine von ABBAs Jüngern.
    Aber zurück zur Rolltreppe. Meine Arme wurden länger und länger. Die Handtasche rutschte mir von der Schulter und plumpste auf das Band. Ich hatte keine Hand mehr frei, um sie wieder hochzuziehen, also schleifte ich sie auf dem Weg zum Check-in-Schalter hinter mir her. Ich versuchte, dich im Auge zu behalten und dir dicht auf den Fersen zu bleiben, was von Schritt zu Schritt schwieriger wurde – da meine Tasche alles mitschleifte, was auf dem Boden lag. Es war, als hätte ich

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