Auf Couchtour
hätte so gern gerufen: ›Lassen Sie mich durch, verdammt, ich bin Masseurin‹ – nur leider stand uns keiner mehr im Weg. Schade. Ich zog ihr den Schuh aus und tat so, als wüsste ich genau, was sie plagte und wie es zu beheben sei. Ich hatte keine Ahnung. Zudem stank ihr grober, haariger, perlonbestrumpfter Schweißfuß so erbärmlich, dass mir übel wurde. Diesen gülligen Dunst hätte ich mit geschlossenen Augen eindeutig als männlich definiert. Mit Gerüchen kenne ich mich aus. Ich atme tagtäglich alle Arten und Intensitäten ein. Meine Nase ist so geschult, dass ich Menschen aufgrund ihrer Ausdünstungen identifizieren kann, wenn sie mir vertraut sind. Ich sollte mich mal bei Wetten, dass? bewerben. Bekommt eigentlich jeder, der da als Kandidat mitmacht, Geld oder nur der Gewinner?«
»Nur der Gewinner.«
»Weißt du das oder rätst du nur?«
»Ich rate. Klingt aber logisch, oder?«
»Wenn das so ist, muss ich noch trainieren. So ein Patzer gleich am Anfang, und ich wäre der Depp der Nation. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir: ›Perverse Schnüfflerin enttarnt‹, ›Transpirant nicht erkannt‹ oder ›Trotz Schweiß, kein Preis‹ oder ›Wer allzu oft am Schweiße schnüffelt, an dem was andere ausgemüffelt, wird im Wahrnehmen trübe und bekloppt in der Rübe.‹ Setz da mal einen drauf.«
»So ein Quatsch.«
»Na, spricht da der Neid?«
»Worauf, auf deinen Schweißriecher oder deine grottigen Verse?«
»Beides.«
»Blödbröd.«
»Pump mich ja nicht an, wenn ich mich erst mal reich gerochen habe.«
»Mach weiter.«
»Keinen Cent kriegst du.«
»Rita!«
»Ja. Also, pass auf. Bevor ich Hand anlegen konnte, an den eben ausführlich beschriebenen Fuß, zog mich Harold aus dem Mief. Er hatte eine Decke auf die Leiche gelegt, die mittlerweile mit dem Oberkörper auf deinem Sitz hing. Es war ausgeschlossen, dass wir auf unseren Plätzen die Landung abwarteten. Harold bat uns, ihm zu folgen. Wir dackelten ihm hinterher, in einen Zwischengang, der mit Notsitzen für das Personal ausgestattet war. Die Stewardess stand in der Tür zum Cockpit und gab dem Piloten das Okay für den Landeanflug. Der fluchte und schimpfte, was sie sich erdreisten würde, ihm Anweisungen zu erteilen. Dieser Idiot. So ohne Mikrofon verstand man ihn hervorragend. Zum Schluss geiferte er: ›Das wird ein Nachspiel haben.‹ Dann beendete die Tür sein Gekeife. Die Stewardess schloss sie hinter sich und setzte sich zu uns. Das Adrenalin quoll ihr aus den Augen. Ich sah ihre Halsschlagader pochen. Sie starrte an uns vorbei auf die Wand. Ihre Wimperntusche war verlaufen und rann ihr über die Wangen, das heißt, über die Make-up-Schicht darauf. Du hast dich für ihren Mut und Einsatz bedankt. Sie hörte es zwar und blinzelte dir zu, wirkte allerdings abwesend dabei. In Gedanken saß sie bereits auf dem Arbeitsamt, frisch gefeuert, und bettelte um einen Job als Frittenschleuder in einer Imbissbude. Wir ließen sie in Ruhe. Wieder schaltete sich der Lautsprecher ein. Der Kapitän war mit der Landung beschäftigt, deshalb ergriff diesmal der Kopilot das Wort. Ihn verstanden wir einwandfrei. Er redete nicht lange um den heißen Brei herum. Zuerst klärte er uns darüber auf, dass es einen Unglücksfall mit tödlichem Ausgang an Bord gegeben hätte, dessen Hergang ungewiss sei. Eine nette Umschreibung für einen kaltblütigen Mord. Ein Raunen ging durch die Menge. Es brummte wie in einem Bienenstock. Er teilte uns weiterhin mit, dass die Londoner Polizei verständigt worden und bereits unterwegs zum Flughafen sei. Er bat alle Passagiere, nein, er befahl ihnen, auf ihren Plätzen zu bleiben, bis die zuständigen Beamten eintrafen. Ach so, ein Krankenwagen werde auch vor Ort sein. Wen sollten die denn verarzten, Herrn Mausetot? Wir spürten, wie die Räder der Maschine aufsetzten. Hopp, Hopp, Hopp. Sie rollten auf der Landebahn entlang, wurden langsamer, kamen zum Stehen. Aus der Ferne hörten wir Sirenen. Kein Applaus. Es ist nicht wichtig, aber ich musste das erwähnen.«
»Läuft das tatsächlich so ab, ich meine, mit einer Leiche an Bord?«
»Charline, woher soll ich das wissen. In meinem Traum war’s eben so. Du wirst bitte nicht anfangen, das zu hinterfragen.«
»Nee. War nur so ein Gedanke.«
»Du willst mich wohl ablenken? Du weißt, was jetzt kommt, besser gesagt, wer jetzt kommt!«
»Oh nein. Ist es so weit? Charline zieht die Beine an und strampelt, als könne sie so meine Worte abwehren. Sie beißt sich in
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