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Auf das Leben

Titel: Auf das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Rothschild Oliver Weiss Mirjam Pressler
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könnte ihn beraten.
    Er hat mir seine Seele gegeben. Er könnte darum flehen, dass ich sie ihm zurückgebe.
    Nein, er hat dir seine Seele nicht gegeben. Du hast sie dir einfach genommen.
    Er hat mich eingelassen.
    Aber das war nicht seine Absicht.
    Seine Absicht war, in das Mädchen zu kommen. Aber stattdessen kam ich in ihn.
    Und jetzt fordere ich dich auf, ihn wieder zu verlassen.
    Was kannst du dagegen tun, dass ich bleibe?
    Ich bin ein Rabbi. Kein Magier. Ich bin hier, um mit dir zu sprechen. Nicht um dich zu zwingen. Ich werde nicht versuchen, die Kabbala anzuwenden. Ich bin gegen Beschwörungen und Kerzen. Ich benutze auch keinen Weihrauch und keine Zaubersprüche. Ich interessiere mich nicht für Hokuspokus. Ich bitte dich - um Marks willen. Bitte gib ihn frei. Er möchte sein Leben in Frieden leben.
    Sein Leben leben oder sein Leben verlassen ? Das ließe sich auch einrichten.
    Nein, ich bitte dich. Er ist noch jung. Er hat Familie.
    Du bist nicht so dumm wie die meisten. Sie glauben, sie könnten mich mit ein bisschen Aramäisch vertreiben, das sie übrigens noch nicht einmal ordentlich aussprechen können, geschweige denn verstehen.
    Danke für das Kompliment. Bist du bereit, ihn zu verlassen?
    Ich bin bereit zu verhandeln.
    Was willst du?
    Was kannst du denn anbieten?
    Ich möchte, dass du meinen Schützling verlässt. Wenn er seinen Frieden findet, kannst du ihn vielleicht auch finden. Das ist das Einzige, was ich anzubieten habe.
    Was du anbietest, ist eine chuzpe.
    Vielleicht. Was erwartest du sonst?
    Von einem Rabbi? Nichts anderes. Aber ich respektiere dich dafür.
    Danke. Und was ist mit Mark?
    Mark? Mark langweilt mich. Mark ist oberflächlich. Mark hat Angst vor allem, wovor er sich niemals zu fürchten bräuchte. Und da wo es angebracht wäre, Angst zu haben, da hat er keine.
    Viele von uns sind so. Wir sind Menschen. Das ist unsere Schwäche und zugleich unsere Stärke.
    Was meinst du mit Stärke?
    Schau, wenn ich tatsächlich Angst vor dem hätte, vor dem ich mich fürchten sollte, dann würde ich bestimmt nicht mit dir sprechen.
    Du hast mich herausgefordert.
    Ich habe dich nicht herausgefordert. Ich habe dich gerufen, und du bist gekommen. Das war dein Wille, nicht meiner.
    Gut, ich bin also gekommen. Und was kannst du mir jetzt anbieten?
    Ich biete dir Frieden zwischen uns an, wenn du Frieden schließen willst.
    Warum sollte ich?
    Du brauchst Mark nicht. Aber er braucht sich selbst.
    Sich selbst? Weiß er denn überhaupt, wer er ist?
    Nein, das kann er nicht. Du hast ihn ja besetzt.
    Ich bin ein Dibbuk.
    Ich weiß. Ich weiß.
    Ich gehe, wann ich will.
    Ich weiß. Ich weiß.
    Ich gehe, wenn ich es beschließe.
    Ich weiß. Ich respektiere das.
    Du verstehst gar nichts.
     
     
    Der Dibbuk war … gewesen. Der Dibbuk ist … aber nicht hier. Der Dibbuk ist nicht mehr zu spüren. Kein Abschied. Kein Weggehen. Nichts dergleichen.
    »Wach auf, Mark. Du kannst jetzt aufwachen. Es fängt jetzt vieles ganz neu an.«

Mosche Rabbenu

    Alle Rabbiner müssen sich gelegentlich dem Urteil eines Komitees aussetzen. Dann etwa, wenn das Rabbinat einer gründlichen Prüfung unterzogen wird. Durchgeführt wird diese Prüfung von einem Komitee oder einem Gemeinderat, der sich aus willkürlich zusammengewürfelten Abgeordneten zusammensetzt, deren einziger Anspruch auf Autorität darin besteht, alle anderen Mitbewerber um diesen Posten überlebt zu haben. Die Opfer von Piraten mussten früher über die Planken gehen; Rabbiner aber müssen vor der Kommission bestehen - was viel, viel schlimmer ist: Die Haie im Ozean zeichnen sich nämlich durch barmherzige Schnelligkeit und tröstliche Effizienz aus, ganz anders als ihre Brüder im Vorstand der Kultusgemeinden. Seltsamerweise dürfen Rabbiner ihre Gemeinden nicht kritisieren, die Gemeinden jedoch dürfen umgekehrt ihre Rabbiner immer kritisieren.
    Es war nach einer dieser spannungsgeladenen Auseinandersetzungen, dass Rabbi Mordechai Galgenbaum, bekannt als »Motti, der Masochist«, eine denkwürdige Predigt hielt. Es war gegen Ende des jüdischen Jahres, und es wurde der Abschnitt aus der Heiligen Tora gelesen, der von Moses’ Leid handelte, als sein Ende nahte. Nachdem die Heilige Tora in den Heiligen Schrein zurückgebracht worden war, stieg Rabbi Mordechai Galgenbaum in der kleinen Synagoge in Unprynwnzbl die drei Stufen zu der schmalen Holzkanzel hinauf, von wo aus er seit zwei Jahren predigte, und fragte seine Gemeinde: »Warum wird Mosche Rabbenu ›Mosche

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