Auf & Davon
bezogen, die er verloren hatte. Aber nun, in diesem neuen Kontext, beschlich ihn das ungute Gefühl, dass er sich geirrt haben könnte.
Ein trauriges Lächeln zuckte um Zanes Lippen. „Becky wurde vor fünf Jahren getötet“, erwähnte er wie nebenbei.
„Deine Frau“, sagte Ty bedächtig und zunehmend verwirrt.
„Ja. Ich hätte nie gedacht, dass mir nach ihr noch einmal irgendjemand etwas bedeuten könnte“, antwortete Zane ruhig. „Wir waren fast zehn Jahre lang miteinander verheiratet. Es war, als würde eine Hälfte von mir plötzlich fehlen. Ich kann es nicht anders erklären.“
Ty nickte langsam und schob den Plastikdeckel von seiner Flasche ruhelos auf dem Tisch herum. „Sprich weiter“, sagte er auffordernd.
Herrgott. Zane kam sich vor wie ein Idiot. „Mir hat niemand mehr etwas bedeutet, nicht einmal ich selbst. Und als es dann doch einmal jemanden gab…“, Zane biss die Zähne zusammen und starrte beharrlich aus dem Fenster. Er schaute überall hin, nur nicht auf den Mann, der ihm gegenübersaß. „Ich hab‘ ihn einfach gehen lassen.“
Ohne es selbst zu merken hatte Ty die Pillendose in die Hand genommen, während Zane sprach. Die Blechdose gab einen hohlen Klang von sich, als er beinahe zornig darauf herum trommelte. „Also das ist es?“, fragte er. „Du schmachtest jemandem hinterher, der dir durch die Lappen gegangen ist?“
Zane warf ihm über den kleinen Tisch hinweg einen überraschten Blick zu, da sah er die kleine Dose. Es war fast ein Schock für ihn, als ihm klar wurde, dass Ty ihn entweder gar nicht verstanden hatte oder seine Worte schlicht nicht auf sich bezog. Zane war zwar erleichtert, fühlte sich aber zugleich noch schlechter als zuvor. Er starrte die Dose an. „Du hättest die nicht mit hierherbringen sollen.“ Weich der Frage aus. Weich der Frage aus. Vergiss deine Frage, Ty. Die Antwort willst du gar nicht wissen. Ty schaute ihn nur ausdruckslos an. „Ich dachte mir eben, wenn du so weitermachst, kann ich sie vielleicht selber mal brauchen“, versetzte er.
„Gottverdammte Scheiße“, zischte Zane. Seine Hand schnellte vor und schnappte Ty die Dose weg. „Ich rede von dir, du Arschloch“, sagte er.
„Was ist mit mir?“, fragte Ty abwehrend. „Gib wieder her“, fügte er mit einer gebieterischen Handbewegung hinzu.
Zane beugte sich über den Tisch, packte Ty vorne am Hemd und riss ihn hoch. „Du bist der, der weggegangen ist“, knurrte er, schüttelte Ty leicht und stieß ihn dann wieder auf seinen Stuhl zurück.
Ty wäre fast mitsamt seinem Stuhl umgekippt, aber das schien er gar nicht zu bemerken. Er starrte Zane aus weit aufgerissenen grünbraunen Augen an. „Was?“, fragte er verständnislos. Seine Stimme war heiser und etwas höher als sonst.
„Scheiße“, murmelte Zane, stand auf und steckte die Dose in die Tasche. „Ich brauch‘ einen Drink.“ Er stakste steifbeinig in Richtung Bar davon. Was für eine beschissene Situation.
„Garrett“, blaffte Ty.
Zane war erst vier Schritte weit gekommen, als Tys Kommandostimme ihn mit einem Ruck zum Halten brachte. Er blieb wie angewurzelt stehen und richtete sich kerzengerade auf, drehte aber leicht den Kopf um anzudeuten, dass er Ty zuhören würde.
„Du brauchst keinen Drink“, eröffnete Ty ihm langsam und bedächtig.
Zane atmete scharf ein und hielt kurz die Luft an. Er schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. Nach einer Weile vergrub er die Hände in den Taschen seiner Lederjacke, aber sonst blieb er einfach stehen. Also, was jetzt? Weitergehen? Umkehren? Er sehnte sich wieder danach, Vergessen im Alkohol zu suchen—aber Tys Worte klangen in ihm nach, und er blieb, wo er war.
„Gib‘ mir die Pillen wieder“, verlangte Ty nach einem Moment angespannten Schweigens.
Automatisch drehte Zane sich um, ging zurück und hielt ihm die Pillendose hin, wobei er überall hinschaute, nur nicht zu Ty. Ty nahm die Dose und durchbohrte dabei Zane mit seinen Blicken. Er steckte die Dose in eine Innentasche seiner Segeltuchjacke und rutschte dann auf seinem Stuhl herum. Mit einem langgezogenen Seufzer schloss er die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
„Also, du willst damit sagen…was?“, murmelte er schließlich mit einer Handbewegung. „Dass du in mich verliebt bist?“
„Nein“, beharrte Zane rasch. „Ich will damit sagen, mir ist klargeworden, dass du mir nicht egal bist, und ich hab dich trotzdem einfach weggehen lassen“, antwortete er
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