Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

prestigeträchtigen Universitäten im Osten der USA oft untereinander, welcher Name zuerst genannt wird, wenn sich ein Anrufer aus Stockholm nach Kandidaten erkundigte. Da blieb häufig nicht viel Auswahl.
WAHRHEIT UNTER DRUCK
    Neben Auszeichnungen, über die man sich auch oft wundern muss, besteht wissenschaftlicher Erfolg aus Publikationen. Konsens hilft natürlich, den Weg in die begutachteten Zeitschriften zu ebnen, und weil Stromlinienförmiges gerne durchgewunken wird, quillt aus den Journalen eine Flut von korrekten, aber oft inhaltsleeren Publikationen. Weil sich Quantität so leicht erzeugen lässt, sind ‚Qualitäts‘-Bewertungen entstanden, die sich – tolle Idee – nach der Häufigkeit des Zitierens richten. Dies lässt sich natürlich leicht beeinflussen, und so läuten diese hilflosen Versuche nur eine neue Runde des grassierenden Evaluationsfetischismus ein. Für wirklich Hervorstechendes haben wir keine Kriterien – es gibt sie nicht, weil Wissenschaft nicht mit Mehrheitsmeinungen fortschreitet, sondern allenfalls durch den Schutz kreativer Minderheiten.
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    Wenn jemand die Ideen derjenigen Genies, die Gründerväter der modernen Wissenschaft waren, Komitees von Spezialisten vorgelegt hätte, kann kein Zweifel bestehen, dass diese sie für abwegig befunden und gerade wegen ihrer Originalität und Tiefe aussortiert hätten. – Louis Victor de Broglie, Nobelpreisträger 1929
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    Inhaltlich ist die Begutachtung komplexerer Arbeiten eine Farce, denn niemand kann sich die Arbeit machen, alles nachzuprüfen – wenn überhaupt, könnte das nur durch ein komplettes Offenlegen aller Rohdaten erfolgen. Im Übrigen hat sich der eigentliche Zweck der Begutachtung überlebt, den knappen Platz in den Zeitschriften für Wichtiges zu reservieren. Erstens sind ohnehin alle Dämme gebrochen und zweitens fischt man im Suchmaschinenzeitalter dennoch die Dinge von Interesse heraus. Das sogenannte peer review , die Begutachtung durch Experten, ist also nur noch Bürokratie mit vermeintlicher Kompetenz, die die Mainstream-Interessen im Schutz der Anonymität vertritt – vergleichbar mit Ratingagenturen in der Finanzwelt. Dort soll ja auch schon der Vorschlag gekommen sein, komplett abschaffen wäre das Beste. Man kann nur hoffen, dass sich durch das Internet irgendwann ein transparentes und offenes System der Bewertung durchsetzt.
    Große Erwartungen hatte man hier an das Internetportal ArXiv der Cornell-Universität, das die Kommunikation dominiert. Leider ist es inzwischen das Gegenteil von transparent, denn nichtöffentliche Kriterien entscheiden darüber, wer dort ungehindert publizieren darf. [13] So ist das ArXiv leider zu einem Monopolisten verkommen, der schwarze Listen von Wissenschaftlern führt, die sich kritisch zur Stringtheorie äußern. Auf Seiten wie viXra.org oder archivefreedom.org können Sie haarsträubende Geschichten über ArXiv finden, die jeder wissenschaftlichen Ethik Hohn sprechen. Schließlich mache man das Ganze für andere, daher brauche auch niemand zu protestieren. Die Ideale der Wissenschaft werden in Cornell ähnlich gepflegt wie die der Freiheit in Guantánamo. Es ist sicher gut gemeint.
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    Das Buch, das in der Welt am ersten verboten zu werden verdiente, wäre ein Katalogus von verbotenen Büchern. – Georg Christoph Lichtenberg
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MÜNDLICH IN STEIN GEHAUEN
    Es heißt manchmal, Publikationen benötigten eine Qualitätskontrolle. Doch in einer Zeit, in der die Mehrheit sich verlaufen hat, ist letztlich jede Begutachtung so kontraproduktiv wie eine Durchführungsverordnung für Umstürze. So haben es alternative Ideen außerordentlich schwer: Widerspricht ein Ansatz dem Mainstream der Fachgemeinde, sind seine Chancen auf Veröffentlichung in einer prestigeträchtigen Zeitschrift gering. Viele kreative Forscher verzweifeln fast im Kampf mit den Verwaltern des Meinungsmonopols, die die etablierten Ansichten gegen neue Ideen abschirmen – die teilweise verfilzten und intransparenten Strukturen der Förderung tun ein Übriges. 38
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    Wer immer unserer Meinung widerspricht, muss geistesgestört sein. – Mark Twain
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    Langsam dringen diese Missstände ins Bewusstsein. Die immer wieder unfaire Begutachtung bringt jene Außenseiter in Rage, die sich selbst um Anerkennung und die Welt um ihre Entdeckung betrogen sehen. Aber das trifft noch nicht den Kern des Problems. Denn selbst eine nach solchen Hürden publizierte revolutionäre Idee der Physik würde heute scheitern,