Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
gemacht, ihn mir zu überlassen.«
»Ich bin froh, dass du fährst«, sagte Marnie. »Mein Auto ist ziemlich klein.«
»Kein Problem. Ich fahre gern und habe schon seit Jahren keine längere Autoreise mehr gemacht.« Sie hielt den Schlüssel in der Hand und blickte zum Haus. »Brauchst du noch mehr Hilfe?«
»Nein, sonst habe ich nur noch den Koffer. Den kann ich allein tragen.«
»Ich habe gehofft, dass du das sagen würdest.«
Als Marnie mit dem Gepäck in der Hand wieder hinunterkam, berichtete Rita, dass Jazzy immer noch nicht aufgetaucht war. »Macht sie das öfter?«, fragte sie, sich umblickend.
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Marnie. Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war angenehm warm, um die fünfundzwanzig Grad, und nicht zu feucht. Jetzt hatten sie endlich mal tolles Wetter – und sie ließ es hinter sich zurück.
»Es ist also nicht üblich, dass sie einfach verschwindet?« Rita strich mit den Händen über ihre Hose.
»Na ja, ich weiß es nicht«, sagte Marnie. »Ich kenne sie noch nicht sehr lange.«
»Du kennst sie noch nicht sehr lange? Seid ihr beiden denn nicht verwandt?«
»Nein. Ich habe sie erst in der Trauergruppe kennengelernt, genau wie du.«
»Hmmm. Aus irgendeinem Grund habe ich geglaubt, ihr beide hättet eine Verbindung. Ihr wärt Verwandte oder Nachbarn oder so.«
Marnie schüttelte den Kopf. »Sie hat mich einmal abends nach Hause gefahren, als mein Auto nicht anspringen wollte. Zum Dank habe ich sie danach zum Abendessen eingeladen. Ich mag sie und sie wirkt sehr nett, aber ich kann nicht behaupten, dass ich sie gut kenne.«
Rita runzelte die Stirn. »Wir reisen also mit einer Wildfremden? Es kommt mir ein bisschen heikel vor, so lange mit jemandem auf engem Raum zusammen zu sein, den man gar nicht kennt.«
Eine Wildfremde. Marnie kam der Gedanke, dass sie dasselbe auch über Rita sagen könnte. Tatsächlich kannte sie keine der beiden Frauen richtig. Wenn sie nun Mörderinnen wären, sie hätte keine Ahnung. Oder einfach nur furchtbare Schreckschrauben. Bevor sie etwas erwidern konnte, deutete Rita auf das Haus. »Oh, da kommt sie ja. Komisch, dass wir sie drinnennicht gesehen haben.« Marnie blickte auf und sah Jazzy mit hüpfenden Schritten den Bürgersteig entlangkommen.
»Gute Nachrichten!«, sagte Jazzy und lächelte strahlend. »Laverne möchte uns begleiten.«
12
Rita lehnte sich gegen den Wagen, einen verwirrten Ausdruck im Gesicht.
»Wer ist denn Laverne?«, fragte Marnie.
»Laverne«, erwiderte Jazzy und zeigte nach hinten auf das Haus. »Du weißt schon – Laverne.«
So kamen sie nicht weiter. Marnie versuchte es erneut. »Woher kennst du sie denn?«
»Deine Nachbarin, du Dummchen.«
»Meine Nachbarin?«
»Die Frau, die unter dir wohnt.« Jazzy blieb nur eine Armlänge vor den beiden Frauen stehen. Aus dieser Entfernung konnte Marnie ihre klaren blauen Augen und ein paar helle Sommersprossen auf der Nase deutlich erkennen. »Als ich ihr erzählt habe, dass wir nach Las Vegas fahren, wollte sie unbedingt mitkommen.«
»Die Frau von unten? Du meinst Mrs. Benner?«, fragte Marnie erstaunt.
»Ich kenne ihren Nachnamen nicht. Sie hat sich mir einfach als Laverne vorgestellt.«
Rita ergriff das Wort. »Du hättest besser zuerst mit uns darüber geredet, Jazzy. Wir haben einfach nicht genug Platz füreine weitere Mitfahrerin. Du wirst ihr sagen müssen, dass sie nicht mitkommen kann.« Ihre Stimme klang fest. Wie die einer strengen Mutter.
»Ach, das tut mir leid.« Jazzy sah geknickt aus. »Da habe ich wohl nicht nachgedacht. Sie hat sich einfach so gefreut und da dachte ich mir, da sie Marnies Nachbarin ist, wäre es in Ordnung. Je mehr Leute, desto lustiger, ist meine Devise.«
»Aber ich kenne Mrs. Benner doch gar nicht«, wehrte sich Marnie. »Ich weiß noch nicht einmal, wie sie aussieht.«
»Du kennst sie gar nicht?« Jetzt war es an Rita, erstaunt zu sein. »Wie kannst du denn über jemandem wohnen und noch nicht einmal wissen, wie derjenige aussieht?«
»Ihr Sohn hat mir gesagt, sie möchte ihre Ruhe haben. Ich dürfe sie unter keinen Umständen belästigen. Da hat er sich glasklar ausgedrückt.«
»Du musst zu ihr zurückgehen und ihr sagen, dass du einen Fehler gemacht hast«, forderte Rita Jazzy auf. »Gib notfalls mir die Schuld. Erklär ihr, ich hätte gesagt, im Wagen ist nicht genug Platz und dass sie nächstes Mal mitkommen kann.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
Jazzy holte tief Luft. »Aber schau mal, ich
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