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Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)

Titel: Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen McQuestion
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ist bestimmt krank vor Sorge.«
    »Ich habe sie vom Restaurant aus angerufen und ihr gesagt, dass ich auf dem Weg bin. Sie weiß, dass es mir gut geht.«
    »Oh«, machte Marnie. Etwas daran klang nicht richtig. Hatte er nicht behauptet, sein Vater hätte nicht zugelassen, dass er seine Mutter anrief? Da war sie sich sicher. Wie hatte er dann also vom Restaurant aus anrufen können? Der Junge schien kein Handy dabei zu haben. Oder übrigens auch sonst nichts – nur die Kleider, die er am Leib trug. Und der Wirt hätte ihn garantiert nicht telefonieren lassen. Dieser Wahnsinnige war ja kurz davor gewesen, den Jungen umzubringen. Und weswegen? Wegen zwanzig Dollar? Wenn sie jetzt allerdings darüber nachdachte, musste das ein verteufelt üppiges Mahl gewesen sein. Laverne und sie selbst hatten ja gemeinsam für weniger als fünfzehn Dollar gespeist. Sie war offensichtlich abgezockt worden.
    »Was willst du tun, wenn wir dich abgesetzt haben?«, fragte Laverne. »Ohne Geld und ohne Handy?« Sie drehte sich so weit um, dass ihre Schulter nicht mehr vom Sicherheitsgurt gehalten wurde.
    Er zuckte abwehrend die Achseln. »Ich finde schon was. Die Leute sind nett. Jemand wird mir helfen. Sie haben mir ja auch geholfen.«
    »Ist das bei euch jungen Leuten jetzt Mode, so ein Tuch um den Kopf?«, fragte Laverne mit kritischem Blick.
    »Das ist ein Bandana«, warf Marnie ein. »Es gefällt mir.«
    Max erwiderte nichts. Er wirkte beschäftigt, als würden die auf der linken Fahrspur überholenden Wagen ihn faszinieren. Mit einem Finger schob er das Bandana hoch und gab ihm ein keckes Aussehen.
    »Es sieht gut aus«, sagte Marnie, aber Max wandte den Blick nicht vom Fenster.
    »Wie alt bist du eigentlich?«, fragte ihn Laverne.
    »Alt genug«, antwortete er auf eine gelangweilte, verdrossene Art. »Ich bin schon lange auf mich gestellt.« Wahrscheinlich meinte er, er könne schon längst auf sich selbst aufpassen, überlegte Marnie. Sie erinnerte sich, wie sie in diesem Alter geglaubt hatte, Erwachsene seien völlig unwichtig. Mit vierzehn oder fünfzehn war sie überzeugt gewesen, dass sie sehr gut allein zurechtkommen würde, sollten ihre Eltern plötzlich vom Antlitz der Erde verschwinden. Vielleicht sogar besser, als wenn sie da waren.
    Laverne stellte das Radio an und aus den Lautsprechern plärrte Countrymusic. Sie beugte sich zu Marnie hinüber und murmelte etwas Unverständliches aus dem Mundwinkel.
    »Was?«
    Sie wiederholte es, aber Marnie verstand es immer noch nicht. Schließlich kramte Laverne in ihrer Handtasche, bis sie einen Stift fand. Sie schrieb auf die Rückseite einer alten Quittung und hielt diese mit einem verstohlenen Blick nach hinten ans Armaturenbrett. Auf dem Zettel stand: M INDERJÄHRIGEN J UNGEN ZUR P OLIZEI BRINGEN .
    Marnie blickte von dem Zettel zu Laverne, deren Stirn sorgenvoll gerunzelt war. Sie schaute in den Rückspiegel und sah, dass Max inzwischen den Kopf zurückgelehnt und die Augen geschlossen hatte. Mit seinem glatten Gesicht und den langen Wimpern sah er wie ein kleines Kind aus und sie sah genau, dass seine zur Schau gestellte Schnoddrigkeit nur eine Fassade war und sich dahinter ein reizender, verwirrter Junge verbarg. Ob er sie anlog? Vielleicht. Aber das wollte sie nicht glauben. Sie wandte sich wieder Laverne zu und schüttelte den Kopf.
    Laverne warf ihr einen vernichtenden Blick zu und griff wieder zu Stift und Papier. Am unteren Ende der Quittung fügte sie hinzu: N ÄCHSTE R ASTSTÄTTE . I CH RUFE AN .
    »Wenn du darauf bestehst«, sagte Marnie und machte sich diesmal nicht einmal die Mühe, ihre Stimme zu senken. Laverne unterstrich die Worte nachdrücklich mit dem ausgestreckten Zeigefinger, aber Marnie tat so, als bemerkte sie es nicht, und drehte das Radio leiser.
    Sie waren ungefähr eine halbe Stunde gefahren, als Laverne das Schweigen brach. »Du kannst ihn nicht behalten, weißt du. Es ist nicht so, wie wenn man einen streunenden Welpen findet.« Sie hantierte mit der Sonnenblende herum, klappte sie erst hoch, überlegte es sich dann aber anders und schlug sie wieder herunter. »Dieses Kind gehört jemandem.«
    »Das weiß ich doch«, antwortete Marnie ruhig, aber innerlich geriet sie in Wut. Warum hatte sie nur zugestimmt, Laverne mitzunehmen? Sie wäre besser dran gewesen, wenn sie alleine gefahren wäre. Sie war fünfunddreißig und durchaus fähig, ihre eigenen Entscheidungen zu fällen. Sie brauchte keinen Aufpasser.
    Laverne, die von Marnies Verärgerung nichts

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