Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
einen Gefallen tust. Troy ist im Ferienlager, aber er hat Fieber bekommen. Sie soll ihn abholen, aber ihr Flug nach Europa geht morgen Abend, und da hat sie sich gefragt, ob du vielleicht hinkommen und ihn holen könntest. Natürlich habe ich ihr gesagt, du wärest nicht in der Verfassung ...«
»Er ist schon im Ferienlager?«
»Das hat sie gesagt.«
Marnie war vollkommen verwirrt. Troy war schon von zu Hause weg? Matt Havermann musste sich im Zeitrahmen geirrt haben. »Du sagst, er ist krank?« Sie schwang die Beine aus dem Bett und setzte sich aufrecht hin. »Was hat er denn?«
»Nichts schlimmes, einfach nur eine Grippe oder so. Du weißt doch, wie das ist. Kinder werden eben mal krank.« Laverne lehnte sich auf dem Stuhl zurück, einem gepolsterten Kunstlederstuhl, der an der Wand stand. »Sie klang enttäuscht. Sie sagte, sie würde versuchen, dann eben etwas anderes zu organisieren.«
Marnie starrte das Handy ungläubig an. Kimberly hatte
sie
angerufen und um einen Gefallen gebeten. Und der Gefallen bestand darin, sich um Troy zu kümmern. Unglaublich. Hatte Kimberly ihr nicht seit dem Begräbnis die kalte Schulter gezeigt? Wenn Marnie einmal angerufen hatte, hatte Troys Mutter ihr jedes Mal den Eindruck vermittelt, sie bei irgendetwaszu stören. Aber das würde diesmal anders sein. Sie rief Kimberly zurück.
Obwohl es schon spät war, nahm sie beim zweiten Läuten ab. »Hallo?«
»Kimberly, ich bin’s, Marnie.« Es folgte eine lange Pause.
»Ach so, Marnie«, meinte Kimberly schließlich mit freundlicher Stimme. »Ich freue mich sehr, von Ihnen zu hören. Wie geht es Ihnen?«
»Bestens«, erwiderte Marnie eilig. »Laverne sagte mir, Sie wollten, dass ich komme und mich um Troy kümmere?«
»Oh ja, aber das war, bevor ich wusste, was Sie durchgemacht haben. Es tut mir leid, dass ich Sie damit belästigt habe. Ihre Stiefmutter sagte, man habe Sie in höchster Eile ins Krankenhaus gebracht?«
»Da hat Laverne wohl ein bisschen übertrieben«, erklärte Marnie, die Hand auf die Seite gepresst. »Es ist nur eine winzige Wunde. Nur ein Kratzer.«
»Das ist gut. Das freut mich zu hören.«
»Ich kann Troy also morgen abholen, falls Sie das immer noch wollen.« Laverne warf ihr einen missbilligenden Blick zu, aber sie winkte ab.
»Wirklich?« Kimberly klang erleichtert. »Ich wäre Ihnen enorm dankbar, wenn das möglich wäre. Ich wusste nicht, was ich tun sollte ...« Sie brach ab und Marnie hörte, wie sie einen Hund zum Schweigen brachte, der im Hintergrund bellte. Troy hatte sich immer einen Hund gewünscht, aber Brian hatte den Dreck und das Durcheinander gescheut, das ein Haustier mit sich bringt.
»Natürlich ist das möglich«, antwortete Marnie. »Geben Sie mir einfach die Adresse des Ferienlagers.«
»Sie müssen vorher hier vorbeikommen«, erklärte Kimberly. »Ich muss Ihnen eine schriftliche Vollmacht geben, ihn abzuholen. Aber mein Haus liegt auf dem Weg.«
»Mach ich.«
»Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber könnten Sie gegen zehn Uhr bei mir zu Hause sein?«
»Ja, ich kann gegen zehn da sein.« Marnie bemerkte, dass die Digitaluhr in ihrem Krankenhauszimmer beinahe Mitternacht zeigte. Sie wusste nicht, wie viele Stunden sie von Las Vegas entfernt waren. Sie befanden sich noch immer in Utah, so viel war klar – aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Stunden Fahrt. Das würden sie mühelos schaffen.
»Ich bin so erleichtert«, meinte Kimberly. »Meine Haushälterin Natalie war bereit, tagsüber nach Troy zu schauen, aber ich wusste nicht recht, was ich für die Nacht organisieren sollte. Dann ist Natalie eingefallen, dass sie in dem Chaos von Troys Abreise völlig vergessen hat, mir Ihren Anruf auszurichten. Es kam mir wie eine Schicksalsfügung vor, dass Sie auf dem Weg hierher waren.«
»Natürlich werde ich kommen.«
»Wenn Sie ein paar Tage bei ihm bleiben könnten, während mein Assistent eine langfristige Lösung organisiert, wäre ich Ihnen wahnsinnig dankbar.«
»Ich bin gerne bereit, mich die ganze Zeit um ihn zu kümmern.«
»Darüber können wir sprechen, wenn Sie hier sind«, meinte Kimberly. »Nur damit Sie Bescheid wissen, das Ferienlager liegt etwa zwei Stunden von hier entfernt. Ich hätte ihn schon abgeholt, aber die Vorbereitungen für meine Reise haben mich fürchterlich in Atem gehalten. Ich musste mich impfen lassen,eine Hundepension finden und vor allen Dingen meine Terminplanung machen.« Kimberly wurde allmählich gesprächig. Marnie
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