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Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde

Titel: Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loki Schmidt
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später erzählt, polnische Freunde hätten ihm gesagt, dass Helmuts Rede großen Eindruck gemacht habe und im Laufe des Tages mehrere Male im Radio wiedergegeben worden sei. Diese Reaktion fand ich doch sehr erstaunlich. Sie war wohl ein Zeichen dafür, dass Helmut den richtigen Ton getroffen hat. Das war schwer genug, denn wenn man da durch das Tor gegangen ist, kann man eigentlich nur die Zähne zusammenbeißen und schweigen.
    Der Besuch in Auschwitz war doch sicher der traurigste, den Sie je absolvieren mussten.
    Das stimmt, weil es so erschütternd und unvorstellbar war, was die armen Menschen dort erlitten hatten. Und weil beimir vieles aus der Vergangenheit wieder hochgekommen ist. Wenn wir heute einem Ausländer sagen, wir hätten von Auschwitz und all den anderen Verbrechen nichts gewusst, dann schaut der einen ungläubig an und sagt: »Wieso, Sie waren doch damals schon erwachsen.« Ja, ich war erwachsen, aber das heißt doch nicht, dass ich etwas über das Grauen in den Konzentrationslagern gewusst hätte. Wer davon etwas wusste, der hat geschwiegen und der musste schweigen, weil er sonst selbst ins KZ gekommen wäre.
    Ihr Mann hat in einem seiner Bücher geschrieben: »Oft sprach Loki mit den Gastgebern über ganz andere Dinge als ich, und nachts tauschten wir unsere Eindrücke dann aus.« Welche Gespräche mit Gastgebern sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
    Ich habe ja schon erwähnt, dass ich mit Gastgebern in botanischen Gärten und vor allen Dingen in Zoos war, die der jeweiligen Oberschicht völlig unbekannt waren, und dass die sich dann richtig dafür begeisterten. Wenn wir offiziell unterwegs waren, bewegte ich mich meistens in einer ganz anderen Umgebung als mein Mann, der politische Gespräche führte oder mit den Gastgebern verhandelte. Ich traf auch ganz andere Menschen. Mir fiel auf, dass sich die Leute in anderen Ländern, zumal in Skandinavien oder Amerika, sehr rührend bemühten, wenigstens etwas Deutsch mit mir zu sprechen. Wie jener sehr streng anmutende Norweger, der sich nach dem Krieg und der Besatzung durch die Wehrmacht geschworen hatte, nie wieder Deutsch zu sprechen. Als mein Englisch in unserem Gespräch kurz versagte, sprach er von da an im klarsten Deutsch mit mir. Oder die Gespräche über Kunst, die ich während meines Programms bei Reisen führen konnte. In den siebziger Jahren hatten beispielsweise die Westeuropäer oder Amerikaner kaum odergar keine Vorstellung vom deutschen Expressionismus oder Impressionismus. Nolde oder Kirchner, Worpswede oder Fischerhude waren für die meisten kein Begriff. Ich hatte aber den Eindruck, dass sie meine Hinweise ganz interessiert aufnahmen; einige meiner Gesprächspartner haben sich sogar Notizen für mögliche spätere Deutschlandbesuche gemacht.
    Über Deutschland bin ich eigentlich nie besonders intensiv befragt worden. Das war für viele inzwischen ein ganz normales, wahrscheinlich auch ein bisschen langweiliges Land. Wenn die Rede auf unsere Vergangenheit kam oder gar Vorwürfe anklangen, brauchte ich nur zu sagen, dass wir in meinem Elternhaus nie die Hakenkreuzflagge herausgehängt haben, weil wir auch gar keine hatten. Dann war das Thema meistens erledigt. Stoff für den nächtlichen Erfahrungsaustausch mit Helmut während unserer Reisen gab es also genug. Ich konnte ihm aus ganz anderen Lebenswelten erzählen, die wenig gemein hatten mit den Umständen bei seinen offiziellen Gesprächen oder den Staatsbanketts, an denen ich ja auch teilnahm.
    Saßen Sie denn bei offiziellen Essen immer zur Rechten des Gastgebers?
    Eigentlich ja.
    Sie haben die Mächtigen anderer Länder dabei einigermaßen intensiv kennengelernt?
    Ob ich sie kennengelernt habe, ist etwas anderes. Aber ich konnte ihnen etwas erzählen, wenn sie mir ein Ohr zuwandten – ob das nun mit dem Kaiser von Japan war, den man nach dem strengen Protokoll gar nicht von selbst ansprechen durfte, oder mit Staats- oder Regierungschefs. Besonders tiefschürfend waren die Gespräche aber meistensnicht; es gab bei solchen Essen ja auch immer irgendwelche Reden.
    Hatten Sie, wenn Sie sich nachts mit Ihrem Mann über Ihre unterschiedlichen Erlebnisse vom Tage austauschten, nicht die Sorge, dass Sie abgehört wurden?
    Wir hatten schon das Gefühl, dass wir abgehört wurden – nicht in allen Ländern, aber in manchen; vor allem, wenn wir in Gästehäusern der Regierung untergebracht waren. In dem Fall haben wir uns natürlich nicht kritisch über die Gastgeber oder ihr

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