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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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fluchend auf seinen müden Rücken. Wir würden nicht weit kommen. Er war zu schwach, aber wir hatten Dusel. Wir hörten Motorengeräusche und hauten uns hin. Dann erkannten wir, daß wir einer versprengten deutschen Kolonne begegnet waren. Sie hatte Benzin und Anstand, und so lud sie uns auf.
    Erstmals sah ich eine winzige Chance, nicht an Wundstarrkrampf oder Blutvergiftung zu verrecken, aber ich war zu schlapp, um diese Hoffnung zu pflegen.
    Wir gerieten unter Panzerbeschuß. Unsere Retter wurden zum Teil selbst verwundet. Kleber hatte einen Lungenschuß und damit nicht mehr viel von seinen Fledderzigaretten. Schlimmer war, daß es auch Molitor erwischt hatte, und zwar so gründlich, daß er, wenn er überhaupt noch, künftig nur noch mit einem Bein durchs Leben humpeln konnte.
    Aber dann war wenigstens für ihn der Krieg aus.
    Ich hatte mir oft überlegt, ob diese Folgerung nicht ein Bein oder einen Arm wert wäre, doch später war mir gesagt worden, daß sogar Beinamputierte in Spezialfahrzeugen als Nachschubfahrer eingesetzt würden, und da sagte ich mir: Danke für die Krücken.
    Ich hatte kein Gefühl dafür, wie lange wir dahinrumpelten. Mein Oberschenkel blutete nicht mehr, aber schon äußerlich sahen die Uniformfetzen so eklig aus, daß ich nicht nachsehen konnte.
    Endlich hielt die Kolonne.
    »Ein Feldlazarett«, sagte ein Unteroffizier. »Mach's gut, Kumpel, du bist uns weit voraus.«
    Feldlazarett klang pompös. Es war eine Scheune mit einem Unterarzt und einigen Sanis, die wie Totengräber aussahen, was vermutlich auch vom Einbuddeln kam. Während sie sich um die Lebenden kümmerten, grinsten sie blöde; ich überlegte, ob sie die gleichen dämlichen Mienen zeigen würden, wenn sie die Toten dem Feld der Ehre formlos einweckten.
    Mitunter hatte ich Mattscheibe und war weg.
    Dann kam ich wieder zu mir, wurde hellwach, begriff, daß der Unterarzt – ein blutjunger Bursche, höchstens fünf Semester Medizin und dann ab in die Feldmetzgerlehre – seine Patienten zunächst einmal in zwei Gruppen teilte: links lagen wohl die hoffnungslosen Fälle. Er ließ sie liegen. Er würde sich wohl erst um sie kümmern, wenn er die Verwundeten auf der anderen Seite versorgt hatte.
    Ich lag auf der richtigen Seite.
    »Feierabend, Herr Unterarzt«, sagte einer der Sanis.
    »Kein Morphium mehr?«
    »Nicht eine Ampulle.«
    Der Unterarzt sah auf. Die approbierten Ärzte hatten sich verkrümelt, und so nutzte dieses zynische Muskelpaket, Typ Riesenzwerg, seine Stunde, selbst auf die Gefahr hin, daß ihn sich die Russen bei dieser Gelegenheit griffen.
    ›Kalte Küche‹ nennen die Medizinstudenten die Anatomie. Der Feldunterarzt brauchte nicht, wie seine Kommilitonen, an Leichen herumzuschnippeln, die schon von den höheren Semestern wie bei einem Puzzle-Spiel auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt worden waren. Rußlands Kalte Küche war riesig und bot ganz andere Möglichkeiten. Er brauchte auch nicht erst zu warten, bis sein Professor die Zensuren verteilte; über Kunstfehler wurde gleich an Ort und Stelle befunden.
    Die meisten Verwundeten waren ohnedies durch ihre Verletzungen zum Tode verurteilt. Wenn er nur bei jedem zweiten Pfuscharbeit leistete, tat er – nicht nur statistisch gesehen – ein gutes Werk.
    Im Gegensatz zu seinen murrenden und fluchenden Sanis war der Unterarzt darauf aus, viele gute Werke zu tun.
    »Haben wir Schnaps?« fragte er.
    Der Sani mißverstand ihn, ging grinsend an ein Fahrzeug und kam mit einem Ballon Wodka zurück. Er goß eine ordentliche Menge in den Deckel des Kochgeschirrs und streckte es dem Unterarzt hin.
    »Idiot«, murmelte der Sanitätsoffizier. »Schmerzstillende Tabletten?«
    »Ganze Berge.«
    »Pro Deckel zwei Röllchen«, entschied der Unterarzt.
    Der Sani ging an mir vorbei. »Der Müller«, sagte er zu seinem Kumpel und deutete auf seinen Dr. Eisenbart, »der hat 'ne Meise.«
    »Hab' ich dir gleich gesagt«, erwiderte der andere.
    Die seltsamen Samariter kamen zurück, füllten die Kochgeschirre mit Schnaps, warfen Antineuralgie-Tabletten ungezählt hinein und rührten das Zeug um.
    Inzwischen bereiteten andere Sanitäter in der linken Ecke der Feldscheune eine Art Operationsraum vor: Der OP-Tisch bestand aus wackeligen, übereinander geschachtelten Kisten; eine verlauste Decke diente als Sichtblende. Es war nicht nötig, etwas zu sehen. Die Schreie, die aus dem Winkel kamen, waren schrill und spitz; ich hoffte die russische Ari würde bald wieder trommeln,

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