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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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daß der Heilige Stuhl sie unter seinen unmittelbaren Schutz
stellt. Sie erfreut sich auch einer gewissen Anzahl steuerlicher und religiöser
Privilegien: Die Priester von Aubrac dürfen die Messe an den vom Interdikt
betroffenen Orten zelebrieren und die Toten beerdigen, wer immer diese auch
seien. Eine Bulle des Papstes Honorius III. rühmt gelegentlich der Bestätigung
einer Bulle Innozenz’ III. die Verdienste der Dômerie: »Diese Wohnstätte war
einst ein Ort des Schreckens und unermeßlicher Einsamkeit, furchterregend, mit
tiefen Wäldern, finster und unbewohnbar, ein Ort, wo keine Nahrung, keine dem
Menschen dienliche Frucht zwei bis drei Meilen im Umkreis je hat gedeihen
können .« 16 Graf Raimund VII. von Toulouse,
die Grafen von Armagnac, Philipp der Schöne und viele andere bis hin zu Ludwig
XI. verliehen der Dômerie Schutzbriefe.
    Im 13. Jahrhundert wird in Aubrac die
Anwesenheit von dreißig Priestern und vier Rittern gemeldet; zu ihnen gesellen
sich Ordensleute und Donati (freiwillig an ein Kloster gebundene Weltleute); im
Jahre 1403 spricht man von dreißig Priestern und dreihundert Brüdern, im Jahre
1419 von nur noch siebzig Ordensleuten.
    Indessen hat sich der Orden von Aubrac
bereits ringsum ausgebreitet. Man begegnet Hospizen oder Tochterhäusern in
Rodez, Bozouls, Saint-Geniez, Najac, Cossenodes, Millau, Chirac, Marvejols,
Luc, Lisle-en-Dodon, Anduze und Moyrens. Und lange Zeit noch ist im großen
Hospital von Aubrac jemand, der die »Verirrtenglocke« zu läuten hat; sie soll
in den Schneestürmen, den schweren Regenfällen, den sternenlosen Nächten die
verirrten Wanderer rufen. Acht Jahrhunderte nach dem Tod Adalards des Pilgers
zeugen die Ruinen aus graublauem Stein von der frommen Inbrunst der
mittelalterlichen Menschen.
    Alle großen Herbergen verfügen über
eine vollständige Einrichtung: Wohnraum, Refektorium, Schlafsaal, Kapelle,
Backofen, Brunnen, alles ist da. Eines der bedeutendsten Hospize ist das von
Santa Cristina beim Übergang über die Pyrenäen an der Kreuzung des Somportweges
und der Straße, die aus dem Ossautal über den Mönchspaß (Col des Moines)
herüberkommt. Gaston IV. von Béarn — seine Gemahlin, Teresa von Aragonien,
kommt von der anderen Seite des Gebirges — errichtet oder renoviert das Hospiz
im beginnenden 12. Jahrhundert; es umfaßt ein Priorat, eine Kapelle und eine
weiträumige Herberge von fünfundzwanzig zu dreißig Metern, wie man noch aus den
Ruinen erkennen kann; ihrer Aufsicht ist eine ganze Reihe von Tochterherbergen
an den südlichen Wegen des Béarn unterstellt: Gabas, Mifaget, Lespiau, Lacommande,
Aubertin, Nay, Lambeyre, Lescar... 17
    Es kann sich aber bei dem Hospiz auch
um ein bescheidenes karitatives Heim, ein einfaches, etwas umgebautes
Privathaus handeln; sein Schild — Muschel oder Stab — kennzeichnet es sicherer
als seine Größe oder seine Architektur. Herman Künig spricht vom
Antoniushospital in León und berichtet: »Auch synt da sant Jacobs zeychen
feil«; im San-Marcos-Hospiz in León ist die ganze Fassade mit Muscheln bedeckt.
Manier schläft in Bayonne bei Madame Belcourt, »das erste Haus rechts, wenn man
hereinkommt; da hängt als Zeichen eine Jakobsmuschel über der Tür. Hier
übernachten alle Pilger auf ihrem Hin- und Rückweg. Daher ist diese Frau in
allen vier Himmelsrichtungen bekannt .« 18 Zahlreiche Gasthäuser am camino francés sind unter dem Namen casas de
las conchas — Muschelhäuser — bekannt.
    Es besteht für die Sankt-Jakobs-Häuser
kein besonderer Bauplan. Nur die gemeinsame Bestimmung verbindet etwa die
strenge Architektur der Dômerie von Aubrac mit dem Haus der Madame Belcourt.
Manche Hospize bestehen aus einem gewölbten, an eine Kapelle angelehnten Saal;
andere, aus der Zeit der Renaissance, wie das Hospiz von Compostela, haben
einen kreuzförmigen Grundriß; in Issoudun sind Herberge und Kapelle so
ineinandergebaut, daß die Kranken von ihrem Bett aus dem Gottesdienst beiwohnen
können.
    Die Verschiedenheit der örtlichen
Stile, der Lage, des Andrangs, der Baumaterialien und der finanziellen Mittel
verbietet gewissermaßen einen für alle Orte passenden Herbergstyp. Bauten wie
das Hôpital-Neuf in Pons und das Crucifijo-Hospital in Puente la Reina gefallen
schon deshalb, weil sie den Bedürfnissen einer am Weg liegenden Herberge
ausgezeichnet angepaßt sind; sie sind so gebaut, daß das eigentliche Hospiz mit
der Kirche durch einen gewölbten Übergang verbunden ist. Ähnlich verfuhr man

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