Auf dem Weg zu Jakob
regelmäßig ausgetauscht. Was hat es damit auf sich? Unter dem Hühnerkäfig wird ausführlich von dem Hühnerwunder berichtet, der Legende vom gehängten Ungehängten:
Eine junge Wirtstochter verliebte sich in den 18-jährigen Hugonell, der mit seinen Eltern auf dem Weg nach Santiago hier im Gasthaus Station machte. Aber er interessierte sich überhaupt nicht für das Mädchen. Aus Rache versteckte sie heimtückisch einen Silberbecher in Hugonells Gepäck und bezichtige ihn des Diebstahls. Natürlich wurde der Becher in seinem Gepäck gefunden, und der Richter verurteilte den jungen Mann zum Tod durch Erhängen. So eine Strafe galt damals als völlig normal für einen solchen Frevel.
Seine Eltern zogen weiter nach Santiago, kamen aber auf dem Rückweg noch einmal am Galgen vorbei. Dort vernahmen Sie plötzlich Hugonells Stimme, der seinen Eltern mitteilte, dass alles in Ordnung wäre und er noch lebe. Der heilige Santiago hätte ihn gerettet, da er ja unschuldig gewesen sei. Es gibt übrigens noch die Variante, dass nicht Santiago sondern der heilige Domingo, der Stadtpatron, den jungen Mann vor dem Tod gerettet hat.
Anita will für ein paar Tage hier bleiben und ausruhen. Später erfahre ich, dass sie eine ganze Woche geblieben ist und an der lokalen Fiesta teilgenommen hat, vor der sie später in den höchsten Tönen schwärmte.
Kaum bin ich auf der N-120, beginnt es zu nieseln, so ganz fein. Gut, dass ich meine Sachen habe halbwegs im Trockenen einpacken können. Kurz bevor ich Santo Domingo erreiche, kurve ich noch mal nach Bañares, wo ich den Campingplatz auskundschaften möchte, suche ihn aber vergebens im gleichnamigen Ort, sondern finde ihn an der N-120 relativ nahe bei Santo Domingo. Wäre doch einfach blöd, wenn man sich hier ein paar Frustkilometer zum Ort Bañares abstrampelt, wenn man den Platz quasi schon fast vor der Nase hat.
Ich fahre noch einmal durch Santo Domingo hindurch. Selbst um diese frühe Stunde stehen hier schon die Touristenbusse - alle wollen das Hühnerwunder sehen. Es regnet jetzt schon etwas stärker und warm ist es auch nicht. Ein richtiger Temperatursturz muss über Nacht passiert sein.
Ich quere den Río Oja, der kaum Wasser führt. Wenn das aber so weiter regnet, dann wird er es sicherlich bald tun. Ich passiere ein Schild, dass mich informiert, dass es von hier noch genau 623 km bis Santiago sind. Links der Straße verläuft eine Kiespiste, wahrscheinlich der Camino. Aber lange währt das Glück nicht. Schon bald sehe ich vor mir einen armen Radpilger, der sich im Regen eine kleine Anhöhe hinaufkämpft. Im Wagen merke ich von diesen Steigungen nichts, würde sie vermutlich noch nicht einmal registrieren, wenn ich nicht selber schon meine bitteren Erfahrungen mit dem Fahrrad gesammelt hätte.
Hier direkt an der Hauptstraße fahren zu müssen, ist absolut kein Vergnügen, denn die Autos brausen grundsätzlich alle mit Höchstgeschwindigkeit. Irgendwann biegt der Camino dann aber wieder durch die Felder ab.
Ich mache einen kleinen Abstecher nach Grañón , das abseits der Hauptstraße auf einem Hügel thront. Oben bei der kleinen Kirche ist ein schöner Picknickplatz, aber natürlich nicht bei diesem Wetter. Der Ort scheint total ausgestorben und außer ein paar kleinen Hunden, die bei diesem Sauwetter mit sich selber Gassi gehen, ist niemand zu sehen.
Nachdem ich zur Hauptstraße zurückgekehrt bin, werde ich bald informiert, dass ich soeben die Provinz La Rioja verlassen habe und nun den Distrikt Castillia y León betrete, genauer gesagt, die Provinz Burgos.
Kastilien, da klingelt doch etwas im Kopf. Hätte ich im Geschichtsunterricht doch besser aufgepasst! Aber das ewige Morden und die ganzen Machtkämpfe haben mich eigentlich immer eher angewidert als ernsthaft interessiert. Aber über Kastilien ist nun doch etwas wirklich Bedeutendes für die spanische Geschichte zu berichten, denn von hier ging die eigentliche Kraft der Reconquista aus, der Befreiung von der maurischen Besatzungsmacht. Mit dem Tod von Alfons VII (1126-1157) zerbrachen die bislang in Personalunion regierten Länder Kastilien und Asturien-León für kurze Zeit wieder in einzelne Reiche. In Kastilien herrschte Sancho III (Ehemann bzw. Vater der Brückenstifterin von Puente la Reina, Erbauer der Klöster in Nájera und San Millán), in León Ferdinand II. Erst Ferdinand III (1217-1252), ein großer Maurenkämpfer, sollte wieder beide Länder gemeinsam regieren. Ihm gelang es, bis auf die Region
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