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Auf dem Weg zu Jakob

Auf dem Weg zu Jakob

Titel: Auf dem Weg zu Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Adams
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meinem Adlerhorst vergehen. Zeit, über die Zeit nachzudenken. Ich bin allein hier oben, ganz allein, aber nicht einsam. Die Zeit verrinnt, und ich sitze in einem Blumenmeer und schaue auf die Welt hinab.
    Ich lasse mir Zeit auf dem Rückweg. Mit jedem Schritt ändert sich mein Blickwinkel aufs Dorf, in das ich jetzt hinter der zweiten Kirche Iglesia de San Juan zurückkehre. Das gibt mir Gelegenheit, auf einem mir noch unbekannten Level durchs Dorf zurück zum Campingplatz zu spazieren.
     
    Nachdem ich mir Abendbrot zubereitet habe, kümmere ich mich um die Wäsche. Ich gehe in die Campingplatzkneipe, wo der Besitzer mit seiner Frau hinter der Theke hantiert. Der einzige Gast ist ein Dorfbewohner. Überhaupt, um diese Jahreszeit ist der Platz noch nicht stark besucht - nur ein paar Belgier, Niederländer und Schweizer sind da.
     
     

Mitten im Blumenstrauß
     
    Am nächsten Morgen traue ich mich kaum aus meinem Schlafsack, so kalt ist es. Im Zelt, und hier muss mein Körper die Luft ja wohl zumindest ein wenig aufgeheizt haben, messe ich lausige 8 Grad. Draußen ist es noch kälter. Vor ein paar Tagen, zum Beispiel als ich mein Rad den Perdón-Pass hinaufschob, hatte ich unheimlich mit der Hitze zu kämpfen. Und jetzt weiß ich gar nicht, was ich alles anziehen soll. Und die Hälfte meiner Klamotten hängt sowieso auf der Leine zum Trocknen.
    Da ich heute Rad fahren will, entscheide ich mich dann für den Zwiebellook bestehend aus Top, T-Shirt, Fleecejacke kombiniert mit langer Radlerhose und dicken Socken. Gerne würde ich jetzt etwas Warmes trinken, aber die Campingkneipe ist noch geschlossen. Dann werde ich eben schnell ins Dorf radeln und da bestimmt etwas finden.
    Mein erstes Ziel ist San Antón, nur knapp 3 km die Pappelallee hinauf. Das ist der Camino in umgekehrte Richtung, jetzt mache ich eine interessante Erfahrung. Jeden Augenblick grüße ich Fuß- oder Radpilger aus aller Herren Länder. Einige von ihnen spaßen wieder, ob ich denn schon auf dem Rückweg wäre. Das kann sehr kommunikativ sein, kann aber auch enorm aufhalten, da man mit jedem Hans und Franz ein paar Worte spricht. Anfangs finde ich das ja noch ganz witzig, aber, da ich das von jetzt an gezwungenermaßen häufiger mache, den Camino streckenweise rückwärts zu befahren, bekomme ich diesen Spruch recht häufig zu hören. Aber, es gibt sie wirklich, Radpilger, die hin und zurück fahren!
    Bei San Antón angekommen, muss ich erst mal meine Finger wärmen. Die Sonne strahlt zwar schon durch die kristallklare Luft, aber die Kälte ist bisher kaum gewichen. St. Antón ist wunderschön anzusehen bei diesem Licht.
     
    Mein nächstes Ziel ist Hontanas . Das Dorf liegt noch genauso friedlich da wie gestern, wirkt aber noch freundlicher im kühlen Sonnenschein. Auch sind mehr Bewohner anzutreffen. So erzählt mir gleich der erste alte Mann, dass seine Katze Nina bald fünf Kätzchen haben wird und er jetzt den ganzen Tag damit beschäftigt sei, die bösen Hunde, die seine Nina immer scheuchen wollen, zu vertreiben. Auch sind jede Menge Pilger im Dorf, einige sogar zu Pferd. Eine Frau, die mit Pferd und Hund unterwegs ist, erzählt mir, dass sie von zu Hause in Frankreich losgezogen ist. Ich werde sie später noch einmal treffen, als das Pferd gerade auf einem leckeren Weizenfeld grast.
    Dass Hontanas - typisch für Dörfer der Meseta - in einer Senke liegt, zeigt sich eigentlich erst, als ich die Anhöhe hinter dem Dorf hinauf auf das Hochplateau erklommen habe. Hier oben verläuft der Camino auf einem ausgetretenen Wiesenpfad zwischen den steinigen Feldern. Steinmauern, Steinmännchen, wogende Weizenfelder und alle Wildblumen, die man sich nur vorstellen kann, zu dieser Jahreszeit allerdings vom knallroten Mohn dominiert, säumen den Pfad. Der Weg ist völlig uneben und so kommt es mir vor, als holpere ich durch einen Blumenstrauß. Ab und zu muss ich auch absteigen und das Rad über matschige Abschnitte tragen, da es ansonsten an einigen Stellen im Modder versinken würde. Mit schwerem Gepäck wäre das eher schlecht zu bewerkstelligen, aber ein unbepacktes Rad erschließt mir hier eine einmalig schöne Landschaft, die ansonsten nur zu Fuß erreichbar ist.
    Nach ca. 13 km mache ich kehrt. Zwar scheint die Sonne intensiv vom Himmel, aber die Temperatur ist nicht über 17°C gestiegen und der Wind, der noch immer scharf über die Ebene fegt, lässt die gefühlte Temperatur noch niedriger erscheinen. Mein allerdings etwas ungenauer Höhenmesser

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