Auf dem Weg zu Jakob
Boden mit Kulturpflanzen. Ein Großteil der Niederschläge, die im Brachejahr fallen, kann somit für den nächsten Anbau im Boden gespeichert werden. Ein tiefes Aufpflügen vor dem Regen erhöht die Wasseraufnahme des Bodens. Damit der Boden das Wasser besser speichert, glättet man die obere Bodenschicht, um dadurch die Kapillarität zu verringern. Auch wird Unkraut gejätet, damit deren Blattwerk nicht zuviel Wasser verdunstet. Ein mühseliges Vorgehen, das von Zeit zu Zeit zu wiederholen ist. Das Umgraben sorgt aber nicht nur für eine geringere Kapillarität, sondern fördert auch die Nitrifizierung des Bodens.
Um die Rentabilität des Anbaus zu erhöhen, galt es, die Anbautrockengrenze, wo die jährliche Niederschlagsmenge gleich oder gar unter der potentiellen Verdunstung ist, auszutricksen. Man setzte auf Bewässerungswirtschaft. Der Umschwung vollzog sich rasant. In den 50er und 60er Jahren gaben immer mehr Landwirte ihre traditionelle Trockenfeldwirtschaft auf. Schon in den 60er Jahren wurden über ein Viertel des landwirtschaftlichen Einkommens mit einem Zehntel der Gesamtfläche, die künstlich bewässert wurde, bestritten. Die, die nicht auf Bewässerungswirtschaft umschwenkten, zogen nicht selten in die Städte, wo zu der Zeit lukrativere Arbeitsplätze in der Industrie lockten.
Bald habe ich Frómista erreicht, eine ursprünglich keltische Siedlung, die aber auch schon von den Römern bewohnt wurde. Wer sich mit Latein beschäftigt hat, wird die Verbindung zwischen dem Namen und dem Wort für Getreide „frumentum“ sehen: Getreide war und ist der Hauptwirtschaftsfaktor. Und bis auf die Zeit zwischen den Übergriffen der Mauren und der Zeit, als sich Doña Mayor, die Mutter von Klosterstifter Sancho III, nach dem Tode ihres Gatten im Jahr 1035 hier niederließ, und wieder für Leben sorgte, ging es Frómista stets gut.
Bevor ich in den Ort gelange, überquere ich den Canal de Castilla , wo sich auch eine Schleusenanlage befindet. Der Kanal wurde eigens gebaut, um das Schüttgut Getreide in großen Mengen aus der Meseta transportieren zu können. Diverse Schleusen waren nötig, um die Höhenunterschiede im Gelände auszugleichen. Heutzutage hat die Schleusenanlage eher historischen Wert, denn mit Ankunft der Eisenbahnlinie Palencia - Santander verlor der Kanal an Bedeutung, da die Getreidetransporte fortan über die Schiene abgewickelt wurden. Riesige Getreidesilos, eines davon mit Storchennest, stehen zwischen Kanal und Bahnhof.
Ich fahre in den Ort hinein. Vor dem Supermarkt treiben sich diverse Pilger herum. Im Supermarkt kann ich aber eigentlich nichts Brauchbares finden. Thunfisch in Kilo-Dosen, Wein in 5-Liter-Packungen, Toastbrot im Doppelpack, Klopapier in Verpackungsgrößen, die bis Jahresende reichen würde. Gut, wenn man in Frómista wohnt, sind die Angebote sicherlich nicht gänzlich uninteressant, aber für Durchreisende völlig ungeeignet.
Der Charakter des Ortes erscheint zunächst eher praktisch orientiert und allein durch die Agroindustrie geprägt. Doch dann finde ich die Kirche San Martín , die 1066 von Doña Mayor gestiftet wurde und zu der früher auch noch ein Kloster gehörte, von dem heute allerdings nichts mehr übrig ist. Das kompakte Gebäude aus getreidefarbenem Stein wirkt mit seinen runden Türmchen recht gut proportioniert. Das Dach, das über tolle Sparren verfügt, ist zweifach gestaffelt. Gegenüber der Kirche gibt es auch ein Hotel, ein Café und einen Landkäseverkauf, aber ansonsten herrscht auch hier die Funktionalität vor.
Hatte ich heute morgen noch die Heizung im Auto an, muss ich jetzt auf die Klimaanlage umschalten. Erbarmungslos knallt die Sonne auf die relativ schattenlose Landschaft. Ich verlasse Frómista. Der Camino verläuft parallel zur Straße auf einem gekiesten Weg, der alle naslang, d.h. bei jeder Feldauffahrt, mit jeweils vier Camino-Steinen markiert ist ( Seite 99). Die Steine sind eigentlich nur weiß getünchte Grenzsteine aus industrieller Fertigung, auf die jeweils in der Mitte eine Jakobsmuschel aufgebracht ist, oder besser war, denn viele dieser Steine haben ihre Muschel bereits eingebüßt, sie wurden als begehrte Souvenirs „weggefunden“. Schade, bald wird es keine mehr geben, und neue wird man wohl auch kaum anbringen.
Die nächsten Dörfer, an denen ich vorbeikomme, alle von landwirtschaftlicher Prägung, tragen den Beinamen „de Campos“ (der Felder). Zunächst Poblacíon de Campos , wo die Pilgerherberge
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