Auf den Schwingen des Adlers
Landessprache, und die meiste Zeit über hatte er keinen Schimmer, was eigentlich los war. Unter solchen Umständen war es schwierig, die Zügel in der Hand zu behalten. Am besten ließ er Mr. Fish gewähren. Wenn der die Nerven zu verlieren drohte, konnte er ihm immer noch unter die Arme greifen.
Um vier Uhr morgens erreichten sie Yüksekova, das Dorf, das in unmittelbarer Nähe zur Grenzstation lag. Hier sollten sie, nach Auskunft von Mr. Fishs Vetter in Van, Ralph Boulware finden.
Sculley und Mr. Fish betraten das Hotel. Drinnen war es finster wie in einem Kellerloch und stank wie im Männerklo eines Fußballstadions. Sie mußten ein paarmal rufen, bis endlich ein Junge mit einer Kerze auftauchte. Mr. Fish sprach mit ihm und sagte dann: »Boulware ist nicht da. Er ist schon vor Stunden weggegangen. Wohin, wissen sie nicht.«
13
I M HOTEL IN Rezaiyeh überkam Jay Coburn wieder jenes elende Gefühl von Hilflosigkeit wie schon früher in Mahabad und später im Hof vor dem Schulhaus: das Gefühl, keinen Einfluß auf sein eigenes Schicksal zu haben, da es in den Händen anderer lag`– in diesem Fall in den Händen von Raschid.
Wo, zum Teufel, steckte der Bursche nur?
Coburn fragte die Wachposten, ob er das Telefon benutzen dürfe. Sie führten ihn in die Halle hinunter. Er wählte die Nummer von Madjids Vetter, dem Professor aus Rezaiyeh, aber niemand meldete sich.
Aufs Geratewohl wählte er dann Gholams Nummer in Teheran. Zu seiner eigenen Überraschung kam er durch.
»Ich habe eine Nachricht für Jim Nyfeler«, sagte er. »Wir sind in der Durchgangszone.«
»Aber wo genau sind Sie?« fragte Gholam.
»In Teheran«, log Coburn.
»Ich muß Sie sprechen.«
Coburn mußte die Geschichte weiterspinnen. »Na gut, dann sehen wir uns morgen früh.«
»Wo?«
»Im Bukarest.«
»Okay.«
Coburn ging wieder hinauf. Simons zog ihn und Keane Taylor in ein anderes Zimmer. »Wenn Raschid bis neun Uhr nicht zurück ist, hauen wir ab«, sagte Simons.
Sofort fühlte Coburn sich besser.
Simons fuhr fort: »Die Wachposten fangen an, sich zu langweilen. Ihre Aufmerksamkeit läßt nach. Entweder schleichen wir uns an ihnen vorbei oder wir werden mit ihnen auf eine andere Art und Weise fertig.«
»Wir haben nur einen Wagen«, wandte Coburn ein.
»Und den lassen wir ihnen hier, um sie im Ungewissenzu halten. Wir gehen zu Fuß zur Grenze. Teufel auch, das sind bloß fünfzig oder sechzig Kilometer. Wir können querfeldein gehen. Wenn wir die Straßen meiden, dann bleiben uns auch die verdammten Sperren erspart.«
Coburn nickte. So hatte er es sich vorgestellt. Endlich ergriffen sie wieder die Initiative.
»Laßt uns mal das Geld zusammentragen«, sagte Simons zu Taylor. »Bitte die Wachen, daß sie dich zum Auto begleiten. Bring die Kleenexschachtel und die Taschenlampen herauf und hol das Geld heraus.«
Taylor verschwand.
»Eigentlich könnten wir zuerst was essen«, meinte Simons. »Das wird ein ganz schön langer Spaziergang.«
Taylor ging in ein leeres Zimmer und leerte das Geld aus der Kleenexschachtel und der Warnblinklampe auf dem Boden aus.
Plötzlich flog die Tür auf.
Taylor blieb schier das Herz stehen.
Er sah auf und erblickte Gayden, der von einem Ohr zum anderen grinste. »Hab’ ich dich erwischt«, sagte Gayden. Taylor war fuchsteufelswild. »Du Scheißkerl, Gayden«, sagte er. »Deinetwegen hätte ich fast einen Herzklaps bekommen.«
Gayden lachte sich halbtot.
Ihre Bewacher führten sie in den Speisesaal hinunter. Die Amerikaner setzten sich um einen großen, runden Tisch, die Wachen nahmen am anderen Ende des Raumes Platz. Es gab Lammfleisch mit Reis, dazu Tee. Die Stimmung war gedrückt. Sie machten sich alle Sorgen um Raschid, wußten nicht, wo er war und wie sie ohne ihn zurechtkommen sollten.
Ein Fernseher lief, und Paul starrte wie gebannt auf den Bildschirm. Jede Minute rechnete er damit, sein Gesicht dort wie auf einem Fahndungsplakat auftauchen zu sehen. Wo, zum Teufel, blieb Raschid?
Nur noch eine Stunde trennte sie von der Grenze, aber sie saßen in der Falle, und noch immer war die Gefahr, nach Teheran und ins Gefängnis zurückgeschickt zu werden, nicht gebannt.
Plötzlich sagte einer: »He, schaut mal, wer da kommt!«
Raschid schlenderte herein.
Er hatte seine wichtige Miene aufgesetzt und trat an ihren Tisch. »Gentlemen«, sagte er, »dies ist Ihre letzte Mahlzeit.« Voller Entsetzen starrten sie ihn an.
»Im Iran, meine ich«, ergänzte er hastig. »Wir können
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