Auf den zweiten Blick
In der vergangenen Woche hatte ich fortwährend daran gearbeitet, Ophelia zu winzigen Zugeständnissen zu bewegen, sich endlich mit meinem neuen Leben abzufinden. Ich wußte, daß Alex und Ophelia einander in gewisser Hinsicht viel zu ähnlich waren, um Freunde zu werden. Ihre Karrieren bewegten sich in ähnlich egozentrischen Kreisen; sie maßen ihren Erfolg daran, wie viele Menschen sie erkannten; beide brauchten mich. Mir war klar, daß Ophelia insgeheim glaubte, Alex würde mich ihr entfremden, aber ich wußte auch, daß ich sie umstimmen konnte. Ich war entschlossen, sie so weit zu bringen, daß sie Alex nicht mehr als Bedrohung, sondern als Bereicherung betrachtete - als eine Art großen Bruder im Busineß. Immer wieder erklärte ich ihr das am Telefon. Und natürlich wollte ich auch, daß Alex Ophelia mochte. Sie war meine beste Freundin - meine einzige Freundin, um genau zu sein.
Alex hatte sich ein Handtuch um die Hüfte geschlungen, um zu verbergen, was wir nicht hatten zu Ende bringen können; er entließ John und brachte Ophelia einen Stuhl. Er benahm sich ihr gegenüber so routiniert, daß man fast meinen konnte, über seinen Zaun würden jeden Tag Frauen fallen. »Es ist meine Schuld«, erklärte er leichthin. »Ich vergesse immer wieder, der Wache am Tor die Namen von Cassies Freundinnen zu geben, damit man sie nicht belästigt.«
Ich riß die Augen auf; darüber hatten wir noch nie gesprochen. Ich beobachtete, wie er Ophelia anlächelte, bis sich ihre Aufregung legte, und begriff, daß Alex Charme zu einer Kunst erhoben hatte. »Oh!« Ophelia hielt den Atem an und öffnete eine blumenbedruckte Leinentasche, die unten naß und farblos geworden war. Sie fischte ein langes, rotverpacktes Geschenk heraus und reichte es mir. Innen klirrte Glas; ich riß eine Ecke auf, sah grüne Scherben und roch süßen Champagner. »Es ist vor mir auf dem Boden aufgekommen«, entschuldigte sie sich. »Es war als Willkommensgeschenk gedacht.«
Ich schob die Scherben mit dem Finger herum. »Trotzdem vielen Dank«, sagte ich. »Aber Alex lebt hier schon eine ganze Weile.«
Ophelia grinste. »Ich habe auch eher darauf gehofft, daß ich im Haus willkommen bin«, sagte sie. »Ich habe mich wie ein Arschloch benommen. Ich würde gern noch mal ganz von vorne anfangen.« Sie blickte zu Alex, der neben mir auf der Liege saß und dem Gespräch lauschte. »Aber wenn man Cassie so lange kennt wie ich und sie sagt, sie habe was aus Tansania mitgebracht, dann rechnet man mit Gelbfieber, nicht mit einem Ehemann. Sie hat schon länger gebraucht, sich einen Drink an der Bar zu bestellen, als sich in Sie zu verlieben.
Allerdings«, schränkte sie ein, »wenn sie sich endlich entscheidet, dann meistens für das Allerbeste.«
Alex sah sie lange an, wie ein Schauspieler, der die Fähigkeiten einer Kollegin einzuschätzen versucht. Schließlich nickte er bedächtig. »Immerhin«, sagte er, »hat sie sich für Sie als Mitbewohnerin entschieden.«
Ophelia warf das Haar über die Schulter zurück und schenkte ihm ein Lächeln. Ich sah erst sie an, dann wieder Alex und hatte plötzlich das gleiche Gefühl wie damals, als ich nach L. A. gezogen war - daß hier alle in einem riesigen Film mitspielten, einem Film voller gesunder und gebräunter und unverhältnismäßig schöner Menschen. »Das mit dem Champagner tut mir ehrlich leid«, sagte Ophelia.
»Und mir das mit deinen Shorts.« Ich beugte mich nach hinten, so daß ich den zackigen Riß quer über die Sitzfläche besser sehen konnte.
Ophelia lachte. »Um ehrlich zu sein, es sind deine. Du hast sie vergessen.« Impulsiv beugte sie sich zu mir herüber und schlang die Arme um meinen Hals. »Du vergibst mir doch, Cassie, nicht wahr?« flüsterte sie.
Ich lächelte, mein Gesicht an ihrer Wange. »Das mit Alex schon. Das mit den Shorts nie.«
»Du weißt, daß ich das ausschließlich für dich tue.«
Ich sah von dem Spiegel auf, vor dem ich mich gerade schminkte. Alex band sich die Krawatte, um sich für einen Abend in der Stadt schick zu machen, auf den er nicht die geringste Lust hatte. Ophelia hatte uns angebettelt, die Sache wiedergutmachen zu dürfen, indem sie uns ins Nicky Blair’s ausführte – sie würde uns einladen, wenn Alex anrief und seine Beziehungen spielen ließ, um uns so kurzfristig noch einen Tisch zu besorgen. Alex hatte sich gnädig dazu bereit erklärt, aber als wir allein im Zimmer waren, konnte ich seine Einwände in der spannungsgeladenen Atmosphäre spüren:
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