Auf den zweiten Blick
Wir sollten hier essen. Wir sollten warten, bis sich die Leute daran gewöhnt haben, daß wir verheiratet sind. Wir können das ein andermal machen.
»Es wird schon nicht so schlimm werden«, bemerkte ich heiter. »Ehe du dich versiehst, ist alles vorbei.« Ich legte die Mascarabürste hin, ging in BH und Höschen ins Schlafzimmer und baute mich vor Alex auf. Ich knotete seinen Schlips auf und band ihn neu, rückte den Windsorknoten gerade und strich ihm dann das Hemd glatt. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Danke«, sagte ich.
Alex strich mir mit den Händen über die Arme. »Wahrscheinlich wird es wirklich nicht so schlimm«, meinte er. »Ein alter Trick von mir. Wenn ich mir das absolut Schlimmste ausmale, werde ich bestimmt angenehm enttäuscht.« Er ging an meinen Schrank und suchte eines der Kleidungsstücke aus, die auf magisehe Weise innerhalb weniger Tage nach meiner Ankunft in L. A. in unserem Schlafzimmer aufgetaucht waren. Er entschied sich für ein hautenges rotes Kleid, das mit nichts zu vergleichen war, was ich je besessen hatte. Um genau zu sein, die meisten meiner Kleider ließen sich mit nichts vergleichen, was ich je besessen hatte. Aber Alex kannte sich in solchen Dingen besser aus – wohin ich gehen würde und was dort angemessen wäre -, deshalb beugte ich mich einfach seinem Urteil.
»Heute ist Donnerstag«, überlegte er, während er zusah, wie ich in das Kleid stieg, und dann hinter mich trat, um den Reißverschluß hochzuziehen. »Also wird kaum jemand aus der Branche dasein. Es finden keine Premieren statt, also werden wahrscheinlich auch keine Reporter herumhängen.« Er faßte mich an den Schultern, drehte mich herum und lächelte mich an. »Wenn wir Glück haben, ist es heute wie ausgestorben.«
Fast hätte ich laut ausgesprochen, was mir durch den Kopf schoß: Ophelia wird zutiefst enttäuscht sein. Sie hatte sich eines von meinen neuen Kleidern und ein Paar Schuhe ausgeliehen und zog sich am anderen Ende des Flurs in einer Gästesuite um. Als Alex den Tisch bei Nicky Blair’s reserviert hatte, einem schicken Prominententreff, hatte es Ophelia kaum mehr auf ihrem Stuhl gehalten. Ich war froh, daß sie Alex endlich nicht mehr als Feind, sondern als Verbündeten betrachtete, aber ich war mir nicht sicher, ob sie so plötzlich umgeschwenkt war, weil ich ihr wirklich fehlte oder weil sie erkannt hatte, welche Möglichkeiten sich ihr durch Alex boten.
Ich schüttelte den Gedanken ab. Natürlich war sie meinetwegen gekommen; sie kannte Alex ja überhaupt nicht. Und der Nachmittag mit ihr war herrlich gewesen. Ich hatte ihr das Haus gezeigt und mich königlich über ihre Kommentare zu den Badewannen, in denen man ganze Partys feiern könnte, oder ihre Spekulationen darüber, ob Elizabeth wohl Alex’ schmutzige Laken an die hartgesottenen Fans verkaufte, die sich vor dem Tor drängelten, amüsiert. Kurz nach vier hatten wir den Kühlschrank geplündert und eine Tüte mit Schokoladenkeksen und Reste von Hühnchen in Sesam in das Labyrinth entführt, wo wir uns auf den Rücken legten und uns von der durch die Hecke dringenden Sonne Flecken auf Bauch und Beine malen ließen. Und so wie damals, als ich noch in Westwood gewohnt hatte, hatten wir über Sex geredet - aber diesmal hatte ich nicht nur zugehört.
Es war mir noch nie leichtgefallen, über solche Dinge zu sprechen, und Ophelia hätte mich ausgelacht, wenn ich ihr offenbart hätte, was mir wirklich am Herzen lag. So hatte ich ihr statt dessen von den exotischen Orten erzählt, an denen wir es getan hatten: der Ausgrabungsstätte in Tansania, der letzten Bank in der katholischen Kirche in Kenia, der Wäschekammer, während Elizabeth direkt davor unsere Kleider zusammenlegte. Ich hatte darüber geredet, wie schön Alex’ Körper war, wie oft wir nachts zusammen waren.
Ich erzählte ihr nicht, daß mich seine Zärtlichkeit bisweilen zu Tränen rührte. Ich erzählte ihr nicht, daß er mich danach so fest an sich drückte, daß ich fast keine Luft mehr bekam, so als habe er Angst, ich könne mich plötzlich in Luft auflösen. Ich erzählte ihr nicht, daß ich mich manchmal, wenn er mich mit seinen Händen, seinem Herzen und seinem Mund anbetete, so rein und vollkommen fühlte wie eine Heilige.
All das erzählte ich Ophelia nicht, doch sie durchschaute mich trotzdem. »Himmel«, flüsterte sie kopfschüttelnd, »du bist bei Gott wahrhaftig verliebt.« Ich nickte; ich glaubte nicht, daß
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