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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Cassie? Und Alex schaute genau in die Kamera und antwortete. »Sie ist für mich geschaffen.« Schnitt, genau in dem kurzen Kuß, den er ihr am Ende des Interviews gegeben hatte. Der Cutter hatte das Bild eingefroren, so daß Alex’ Lippen auf ewig an ihren klebten, während Barbara Walters zur Werbung überleitete.
    Will warf einen Blick auf Cassie. Sie starrte die Pampers-Werbung an, als könnte sie gar nicht verstehen, wie Alex vom Bildschirm verschwunden war, und würde immer noch darüber nachsinnen, wie sie ihn zurückholen konnte.
    Er stand auf, ging zur Bar und bestellte sich noch ein Bier. »Und Chips oder so«, fügte er hinzu. »Das wird eine höllisch lange Nacht.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, daß er eine andere mitgebracht hat.«
    Cassie sagte das schon seit dem kurzen Zusammenschnitt zu Beginn der Oscarausstrahlung, als Melanie Sowieso aus der gleichen Limousine gestiegen war wie Alex. Sie hatte ihr zweites Glas Wasser hinuntergeschüttet, bevor Alex auch nur durch die Tür des Dorothy-Chandler-Pavillons getreten war. »Dieses Miststück«, flüsterte sie und sah währenddessen Alex, immer nur Alex an.
    Es sah vielversprechend aus: den ersten bedeutenden Oscar des Abends hatte Jack Green als bester Nebendarsteller bekommen; er hatte Alex mit seiner kleinen Goldstatuette vielsagend zugewinkt. Von da an tauchte der Name des Films während der nächsten zweieinhalb Stunden immer wieder auf - Kameraführung, Schnitt, Ton. Will hatte den Überblick darüber, wie viele Oscars der Film insgesamt bekommen hatte, schon vor einer Stunde verloren, als er sein sechstes und letztes Bier ausgetrunken hatte. Er begriff nicht, wie Cassie immer noch so aufrecht sitzen, wie sie überhaupt wach bleiben konnte.
    Er legte den Kopf vor ihr auf die Tischplatte. »Weck mich auf, wenn er was Wichtiges gewinnt«, sagte Will.
    Cassie nickte, schluckte. Sie fuhr mit dem Finger durch das Salz am Boden der Schale mit Erdnüssen. »Weißt du, warum sie Oscars heißen?« sagte sie irgendwann später zu niemand Bestimmtem. »Eine Sekretärin in der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences meinte, die Statue würde sie an ihren Onkel Oscar erinnern. Hat man jemals so was Dummes… gehört?«
    Weil er das Beben in ihrer Stimme hörte, hob Will ein Augenlid. Tränen strömten über Cassies Wangen; trotz ihrer unerschütterlichen Haltung brach sie zusammen. Er rückte seinen Stuhl über den mit Sägemehl bestreuten Boden, bis er Cassies berührte, dann zog er sie in seine Arme. »Ist schon okay«, murmelte er und fragte sich, wie lange er wohl geschlafen hatte, ob Alex schon verloren hatte, ob er es gerade verpaßt hatte.
    »Nein, es ist nicht okay«, schluchzte Cassie an Wills Schulter. »Es war von Anfang an nicht okay. Ich sollte dort in der zweiten Reihe sitzen. Mein Gesicht sollten sie jedesmal zeigen, wenn die Kamera über seine Sitzreihe schwenkt.«
    »Sieh es von der positiven Seite«, meinte Will. »Wahrscheinlich würdest du inzwischen tief und fest schlafen.«
    »Aber ich würde dort tief und fest schlafen«, sagte Cassie. »Es ist der wichtigste Abend seines Lebens, und ich bin tausend Meilen weit weg.«
    Aber das bist du nicht, hätte Will gern gesagt. Du bist hier bei mir. Er sah sie so eindringlich an, daß sie zu weinen aufhörte und zurückstarrte.
    Und dann verkündete man, wer als bester Schauspieler nominiert war.
    So mühelos, wie sie aus einem Auto steigen würde, löste sich Cassie von Will. Sie schüttelte seinen Arm ab und stützte die Ellbogen auf den Tisch, schob sich ein paar Zentimeter näher an ihren Mann. Als im Fernsehen ein kurzer Ausschnitt aus Die Geschichte seines Lebens gezeigt wurde, schimmerte Alex’ Bild in den Schweißflecken, die ihre Hände auf der Tischplatte hinterließen.
    Und der Oscar für den besten Schauspieler geht an…
    Cassie hielt den Atem an. Das Licht aus dem Fernsehgerät überschwemmte ihr Gesicht, ließ alle Flächen und Kanten leuchten.
    Alex Rivers.
    Cassies Augen glänzten, und mit deutlich wahrnehmbarem Hunger beobachtete sie, wie Alex die Stufen zum Podium hinaufstieg, um die kleine Statue in Empfang zu nehmen. Will fragte sich, ob sie überhaupt merkte, daß sie die rechte Hand nach dem Fernseher ausgestreckt hatte, als könne sie ihn berühren.
    Alex Rivers’ Oscar war ihm scheißegal, aber er konnte den Blick nicht von Cassie wenden. Er hatte sie anziehend gefunden, als er mit dem Pick-up bei seinen Großeltern vorgefahren war, aber jetzt hatte sie sich vor

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