Auf den zweiten Blick
einfach zwei Verliebte gesehen, die in die Schwitzhütte krochen, um ihr Gelübde zu besiegeln.
Vor zwanzig Minuten hatte Will Joseph die letzten vier Steine gebracht; sie hatten den Dampf aus den Nähten der Leinwand aufsteigen sehen. Die Klappe wurde zurückgeschlagen, und Joseph stand auf, alt und gebeugt und splitternackt. Er lächelte Will zu und ging den Pfad hinab, der zu einem Bach führte.
Als nächste kam Glenda, dann Horace. Beide schien es nicht zu stören, daß sie nichts außer einer Kette aus bunten Bändern trugen, von denen jedes für einen anderen Aspekt ihrer Ehe stand – ihre Beziehung zueinander, zu Gott, zu ihrem Planeten, zu den Kindern, zur Gesellschaft. »Hey«, rief Will grinsend. »Kriegt die Braut keinen Kuß?«
Aber Horace versetzte Glenda bloß einen Klaps auf den Po und rannte mit ihr um die Wette in den Bach. Ihre Bänder blitzten über dem Wasser wie ein Regenbogen.
Cassie schniefte leise. Will drehte ihr Kinn, bis sie ihn ansah. »Du weinst?« fragte er.
Cassie zuckte mit den Achseln. »Ich kann nichts dagegen machen. Zur Zeit weine ich wegen allem und jedem.« Sie starrte in den offenen Eingang der Schwitzhütte, aus der immer noch Dampf aufstieg. »So sollte eine Hochzeit sein«, urteilte sie. »Nur für dich und ihn und niemand sonst. Und keiner kann etwas verstecken.« Sie kämpfte sich auf die Knie, kam dann auf die Füße und preßte sich die Hand auf den Rücken. »So hätte ich auch gern geheiratet«, sagte sie leise.
Glenda lachte im Hintergrund; fröhlich umspielte ihre Stimme die ihres frischgebackenen Gemahls. Will stellte sich neben Cassie, starrte mit ihr in die Ferne und versuchte zu sehen, was sie sah. »Okay«, sagte er heiter. »Wann?«
Lächelnd sah Cassie ihn an. »Ach, ich weiß nicht. Nächsten Dienstag vielleicht. Und dann rufen wir die Zeitungen an, damit sie endlich wirklich was zum Schreiben haben.«
Will sagte nichts, nicht einmal als Cassie ihre Hand in seine legte und ihn zum Bach hinunterzog. »Tanyan yahi yelo«, sagte sie stockend. Ich bin froh, daß du gekommen bist.
Und obwohl er die Worte nicht über die Lippen brachte, wußte er, daß auch er froh war.
Es waren auf den Tag genau vier Monate vergangen, seit Cassie verschwunden war, und drei Monate und sechs Tage seit ihrem Anruf. Alex saß auf dem Balkon vor dem Schlafzimmer, nippte am nächsten Drink und versuchte, sich nicht selbst zu bemitleiden.
Er hatte es sich inzwischen zur Gewohnheit gemacht, eine ganze Serie von Erinnerungen an Cassie durchzugehen, bis sie fast wieder real wurde: Cassie in ihrem Labor, im dämmrigen Lampenschein über einen modrigen Knochen gebeugt; Cassie, die sich über den hüftschwingenden Gang eines Produzenten oder über die Angewohnheit einer Schauspielerin mokierte, mit den gichtigen Knöcheln zu knacken; Cassies Haar über ihren Schultern, während sein Mund sich über ihren Bauch vorarbeitete; und ja, die eine Erinnerung, zu der er sich jedesmal zwang – Cassie zusammengekrümmt zu seinen Füßen, blutend, geschlagen und dennoch mit ausgestreckter Hand, um ihn zu trösten.
Er hatte ein Gelübde abgelegt. Er würde alles tun, um sie zurückzuholen. Er würde zu einem Psychiater gehen. Er würde in eine Therapiegruppe gehen. Scheiße, er würde seine Seele sogar exklusiv vor dem People Magazine ausbreiten. Sein Ruf konnte nicht viel schlechter werden, als er ohnehin schon war, und jeder Karriereknick, den er mit seinem Geständnis riskierte, wäre nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den Cassie jahrelang hatte erdulden müssen. Er sagte sich das jedesmal, wenn er das Glas an die Lippen hob, aber natürlich war es ein leerer Trinkspruch. Der Mensch, an den er gerichtet war, war immer noch verschwunden.
Jemand klopfte an die Schlafzimmertür, und Alex knurrte. Er war nicht in der Stimmung für irgend jemand vom Hauspersonal. Sie fragten ihn Sachen, die ihn inzwischen einen feuchten Dreck interessierten – was er zum Essen wollte zum Beispiel oder ob seine Verabredung mit Mr. Silver noch galt. »Nein«, schrie er. »Ich arbeite.«
»Na klar arbeitest du«, hörte er eine Frauenstimme, dann schwere, hochhackige Schritte. Alex ließ den Kopf gegen die Lehne des Korbsessels sinken, schloß die Augen und wünschte, er hätte die Stimme nicht erkannt. »Wahrscheinlich habe sogar ich zur Zeit mehr Arbeit als du.«
Ophelia baute sich vor ihm auf, in einem eleganten, maßgeschneiderten Leinenkostüm und mit einem breitkrempigen Hut, der eher nach Ascot als
Weitere Kostenlose Bücher