Auf den zweiten Blick
Millionen, wenn er dafür wieder an die Spitze kommt?«
Eine Klatschreporterin von NBC prüfte ihren Lippenstift in der reflektierenden Linse einer Kamera. »Ich sage euch eines«, verkündete sie theatralisch, »Alex Rivers ist weg vom Fenster.« Sie drehte sich zu ihren Kollegen um, die sich fiebrig wie Windhunde am Gate drängten, als die Ankunft des Fluges 658 aus Denver durch den Lautsprecher verkündet wurde. »Dieser Mann wird die Frauen nie wieder dazu bringen, nach ihm zu lechzen. Es bleibt dabei: Unter welchen Umständen auch immer, sie hat ihn verlassen, und das beweist, daß er nicht das Sexsymbol ist, für das wir ihn alle gehalten haben.«
Im Warteraum der ersten Klasse hatte Cassie Connor soeben gewickelt. Alex saß ihr gegenüber, ein Bein lässig über das andere geschlagen. Er hielt eine Kaffeetasse in der Hand. »Ich werde das lernen müssen.«
Cassie sah zu ihm auf. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie Alex’ Hände etwas so Prosaisches wie Wickeln taten. »Also das«, meinte sie, »gäbe eine phantastische Pressekonferenz ab.«
Alex rutschte in seinem Sessel herum und stellte die Tasse ab. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Er meinte die Reporter, die wie Geier daraufwarteten, daß man ihnen Aas vorwarf. Irgendwo über den Rockies hatte ihr Alex von dem Tip an die Presse erzählt. Und natürlich hatte sie ihm gesagt, daß sie das verstand - schließlich war es indirekt ihre Schuld, daß Alex’ Popularität in Hollywood so gelitten hatte, deshalb war es auch ihre Pflicht, sein Image nach Kräften wieder aufzubauen. Trotzdem mußte Cassie daran denken, wie sie damals, vor fast vier Jahren, zum ersten Mal mit Alex in Los Angeles gelandet war und einen Vorgeschmack auf ein Leben ohne Privatsphäre bekommen hatte. Nach all den Monaten auf Pine Ridge war das keine leichte Umstellung.
»Es macht mir nichts aus«, sagte Cassie leise. Sie reichte Alex das Baby. »Ich wünschte nur, wir könnten Connor da raushalten.«
»Ich achte darauf, daß ihn die Blitze nicht blenden, und ich lasse auch nur ein paar Fragen zu. Versprochen.« Alex grinste. »Betrachte es einfach als seinen ersten Auftritt.«
Die Tür zu dem abgeschlossenen Warteraum flog auf, und Michaela Snows massige Gestalt stand auf der Schwelle. Sie schenkte Alex ein strahlendes Lächeln und musterte Cassie dann von Kopf bis Fuß. » Gut, daß Sie wieder da sind «, erklärte sie kühl, und Cassie, die eben die Öltücher zurück in die Tasche stecken wollte, erstarrte mitten in der Bewegung.
»Michaela«, sagte sie und lächelte sie warmherzig an.
Michaela schaute sie nur an, gerade so lange, daß Cassie sich verschämt ihres formlosen braunen Kleides und der abgetragenen Tennisschuhe bewußt wurde - keineswegs die modischen Paradestücke, die man von Alex Rivers’ Frau erwartete. Michaela wandte sich wieder an Alex. »Bist du soweit?«
Cassie spürte, wie ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief: Michaelas Reaktion war eine Kostprobe für den Empfang, der sie in Los Angeles erwartete, wo die meisten ihrer Bekannten Freunde und Kollegen von Alex waren. In ihren Augen hatte Cassie Alex verlassen. In ihren Augen trug sie die Schuld. Natürlich kannte niemand die ganze Geschichte, aber genau da waren Cassie die Hände gebunden. Wenn sie ihre Flucht verteidigte, indem sie offenbarte, daß Alex seine Frau geschlagen hatte, würde sie seinen Ruf nur noch weiter ruinieren. Selbst wenn sie es im Zusammenhang mit seinem Schwur erwähnte, sich helfen zu lassen, würde sie Alex damit verletzen, und das war das einzige, was sie auf gar keinen Fall mehr tun würde.
Sie sah Alex an, der ihre Miene als Lampenfieber mißdeutete und sie sanft auf die Beine zog. »Bestimmt wird sich die Frau, die mitten im Nichts ganz allein ein Kind zur Welt gebracht hat«, beruhigte er sie leise, »nicht von einer Horde gieriger Reporter einschüchtern lassen.«
»Ich war nicht allein«, wehrte sich Cassie. Sie hob Connor hoch und begann, ihn auf seinem Wiegenbrett festzuschnallen.
Alex sah Michaela an. »Wir kommen gleich nach.« Als die PR-Beraterin verschwunden war, wandte er sich wieder an Cassie. »Warum läßt du mich nicht dieses Ding tragen«, schlug er sanft vor, »und du hältst das Baby.«
Cassies Blick huschte zur Tür, durch die Michaela eben verschwunden war. Schützend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Schämte sich Alex ihrer schmuddeligen, einfachen Kleidung? Oder weil sie sein Kind in einem Sioux-Artefakt
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