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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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erzählt, dass er sich schon in den ersten zwei Minuten in mich verliebt hatte. Und das, obwohl es überhaupt keinen Grund dafür gab: Ich hatte sein Rennrad zerstört und überdies unausgeschlafen und ungeschminkt ausgesehen. Felix behauptete später immer, das sei Unsinn, ich hätte großartig ausgesehen, aber das hatte er auch nach der spektakulären Party bei Marlene und Javier gesagt, als ich die halbe Nacht über der Kloschüssel gehangen hatte, so ungefähr 2007.
    Was das anging, war Felix wirklich eigenartig verblendet. Es war ihm daher durchaus zuzutrauen, dass er sich auch auf den ersten Blick in eine Patientin im Blümchenpyjama und mit ungewaschenen Haaren verliebte, die auf seiner Station herumlungerte. Das Risiko konnte ich auf keinen Fall eingehen, und egal wie groß meine Sehnsucht auch sein mochte, ihn wenigstens mal zu sehen: Ich musste in erster Linie auf Felix Rücksicht nehmen. Bei dieser ganzen Sache ging es doch schließlich darum zu verhindern, dass er sein Herz an die falsche Frau – nämlich mich – verschenkte. Denn wenn ich die richtige Frau für ihn wäre, dann würde ich mich wohl kaum fünf Jahre später Hals über Kopf in einen anderen Mann verlieben, oder?
    Obwohl mein Herz meine Pläne kannte und voll und ganz billigte, fing es wie wild an zu klopfen, als es Felix entdeckte. Ich presste meine Nase an die Scheibe und seufzte. Dort lief er also über den Parkplatz, in seinem abgewetzten grauen Kapuzenpulli, den Fahrradhelm am Arm.
    Ach, Felix! Mein Felix. Wehmütig sah ich zu, wie er seinen Helm aufsetzte, auf sein Fahrrad stieg und unbehelligt von Schicksal und Fügung davonfuhr. Ich verdrückte ein paar Tränen der Rührung. Pass gut auf dich auf, hörst du? Und arbeite nicht zu viel, und denk immer daran …
    »Sagen Sie mal, welchen Teil von ›Es ist verboten, auf der Heizung zu sitzen‹ haben Sie denn nicht verstanden?«, zischte eine Stimme hinter mir. Lillian schon wieder.
    Ich drehte mich widerwillig zu ihr um. Im Aufstehen wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln. »Verklag mich doch, du Knotterbüggel«, sagte ich und überlegte, was Schwester Sabine sonst noch immer so Deftiges von sich gab und ob ich noch ein energisches »Leck mich en de Täsch« dazusetzen sollte. Schließlich war das hier immer noch mein Komatraum, und da konnte ich mich ruhig mal ein bisschen danebenbenehmen.
     
    Besser einander beschimpfen als einander beschießen.
Winston Churchill
     
    Lillian versuchte, verächtlich zu gucken, aber bevor ich mich auf dem Absatz umdrehte und in meinem Blümchenpyjama davonrauschte, sah ich genau, dass sie ängstlich zusammengezuckt war.
    Wie gesagt, dieses Paralleluniversum war gar nicht so übel.

Früher war mehr Lametta.
    Loriot
    »… die Pegelstände der Elbe weiterhin im Steigen begriffen … Hochwasser in Mähren und Österreich … bilaterales Abkommen über die zivile Nutzung von Atomkraft …« Die Nachrichten kamen mir höchstens vage bekannt vor, sie hätten genauso gut im Jahr 2011 vorgelesen werden können. Ich wartete seit Tagen auf ein Déjà-vu, aber es kam keins. Und leider konnte man ja die Zukunft noch nicht googeln.
    Dummerweise konnte ich aber auch die Gegenwart nicht googeln, weil ich meinen PC zu Hause mit einem Kennwort gesichert hatte, das mir partout nicht einfallen wollte. Ich verfluchte meine Angewohnheit, komplizierte Kennwort-Zahlen-Kombinationen zu kreieren und nirgendwo aufzuschreiben.
    »Außenministerin Rice äußert sich positiv zu Indiens …« Ah! Endlich mal was, das klang, als wäre es wirklich lange her. Außenministerin Rice gab es nicht mehr, jedenfalls nicht als Außenministerin. Und von Barack Obama hatte 2006 hier in Deutschland noch niemand was gehört. Ich sollte die Gelegenheit nutzen und seinen Namen demnächst mal fallen lassen, vielleicht auf einer dieser Stehpartys, die die Blutgräfin von Zeit zu Zeit in der Agentur veranstaltete. »Also wenn Sie mich fragen, wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Obama heißen … Wie, den kennen Sie nicht? Ein aufstrebender junger Politiker mit großer Zukunft …«
    In den letzten Tagen war mir klar geworden, dass ich nicht unbedingt im Vorteil war, nur weil ich aus der Zukunft kam. Gut, ich wusste, wer der nächste amerikanische Präsident werden würde und dass Prinz William Kate heiraten und der Dachs Tier des Jahrs 2010 werden würde (fragen Sie mich nicht, warum ich mir das gemerkt hatte) – aber wirklich hilfreich war das alles

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