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Auf der Spur der Vogeljaeger

Titel: Auf der Spur der Vogeljaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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zur Schokolade greifen. Aber Tarzan sagte: »Heb dir das auf für nachher.«
    Sie lagen rechtzeitig im Bett. Tarzan stellte seinen Wecker auf Viertel vor elf. Das konnte er riskieren. Der Wecker schepperte nicht laut, sondern meldete sich auf die Minutegenau mit einem durchdringenden Piepton – wie das moderne Wecker an sich haben. Bis hinaus auf den Gang hörte man diesen Ton nicht.
    Überall im Haus wurde noch getobt und gelärmt. Die kleineren Jungen veranstalteten im Waschsaal eine Wasserschlacht. Andere ließen ihre Kofferradios laufen; und drüben im WIGWAM prügelten sich zwei.
    »Wir müssen höllisch aufpassen«, sagte Klößchen, »Kleinmichel hat Spätdienst.«
    Das war ein junger Assessor, der als streng und gewieft galt. Leider auch als Nachteule. Das hieß, hinter seinem Fenster drüben im Pauker-Silo – wo die unverheirateten Lehrer ihre Zimmer hatten – brannte bis spät in die Nacht hinein Licht. Entsprechend spät machte er auch seine Kontrollgänge – ein Umstand, der das Vorhaben der beiden Freunde erschwerte.
    Beide hatten dunkle Kleidung bereit gelegt. Klößchen würde auf seine ulkige Sportkappe nicht verzichten; und auch Tarzan, der eine ähnliche, aber nicht ganz so auffällige Mütze besaß, wollte sie aufsetzen. Klößchens Taschenlampe, mit frischen Batterien gestärkt, würde ihnen sicherlich gute Dienste leisten.
    Allmählich kehrte Ruhe ein im Haupthaus. Sogar die Türen wurden leiser geschlossen. Etwas später brüllte Wolfgang Bezzel, ein Spaßvogel, mit verstellter Stimme »Feuer! Die Schule brennt!« über den Flur. Aber den Scherz hatte er nun schon fünfmal gemacht und niemand ließ sich mehr bluffen.
    »Ihm sollte mal was Neues einfallen«, murmelte Klößchen. Leise wurde die Tür geöffnet. Kleinmichels Fuchsgesicht blickte herein.
    »Nanu, schon im Bett? Ganz freiwillig und ohne zu schmökern? Willi, du kaust hoffentlich nicht! Dann Gute Nacht!«
    »Gute Nacht, Herr Assessor«, sagten die beiden und gähnten.
    Tarzan schlief sofort ein.
    Als ihn der Piepton des Weckers hochschrecken ließ, konnte er sich an keinen Traum erinnern. Er stellte den Wecker ab. Draußen war finstere Nacht. Die Uhr zeigte genau Viertel vor elf. Den Fenstervorhang hatte er nicht geschlossen. Er richtete sich auf und konnte zum Pauker-Silo hinüber sehen. Kleinmichel war noch auf, sein Fenster erleuchtet. Im selben Moment hörte Tarzan leise Schritte auf dem Flur.
    Er ließ sich zurücksinken und schloss die Augen.
    Irgendwo wurde eine Tür geöffnet.
    Der Assessor nahm es mit seiner Aufgabe sehr genau und überzeugte sich, dass niemand mehr las oder per Kopfhörer Radio hörte.
    Jetzt blickte er ins ADLERNEST. Tarzan atmete regelmäßig, aber nicht zu laut. Klößchen hatte ausnahmsweise mal auf sein Schnarchen verzichtet. Kleinmichel schloss die Tür.
    Tarzan stellte sich ans Fenster, wartete und beobachtete dann, wie der Assessor den Hof überquerte und im Pauker-Silo verschwand. Nochmal würde er nicht kommen.
    »Willi!« Er rüttelte seinen Freund an der Schulter.
    »Wie? Was?« Klößchen grunzte. »Schon halb sieben?«
    »Wach auf! Wir haben was vor, falls du dich erinnerst. Ich sage nur: Gabun-Viper!«
    »Was? Um Himmels willen! Ist sie hier?«
    »In deinem Bett. Also raus!«
    Der Schreck hatte Klößchen den Schlaf aus den Gliedern gejagt. Er schwang die Beine aus dem Bett, reckte sich und sagte: »Blöder Esel! Einen so zu erschrecken! Und das auf nüchternen Magen.«
    »Beeil dich! Vielleicht ist Pickelgesicht längst unterwegs.«
    Leise zogen sie sich an. Klößchen ließ probeweise die Lampe aufblitzen. Beide trugen Turnschuhe, damit sie lautlos schleichen konnten. Klößchen drückte sich die Mütze auf die Ohren. Schon an der Tür stehend, fiel ihm im letzten Moment etwas ein.
    »Um Himmels willen! Mein Proviant.«
    Zwei Tafeln Milchschokolade stopfte er sich als Wegzehrung unter die Jacke. Dann war er bereit.
    Sie traten auf den Flur, schlossen leise die Tür und schlichen den Gang entlang. Während Klößchen hinter der Schwingtür am Flurfenster wartete, lief Tarzan die Treppe zum Speicher hinauf. Auf einem Balken in hinterster Ecke hatten sie die Strickleiter versteckt.
    Die war schon nicht mehr neu, weil sie sie so oft benutzt hatten. Für Klößchen, der am Seil keinen Zentimeter weit klettern konnte, war sie die einzige Möglichkeit, nachts und heimlich das Haus zu verlassen.
    Tarzan benutzte sonst ein Nylonseil. Das ließ sich zwar leichter verstecken, erforderte aber beim

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